Schneckentempo im Management

5 Gründe, weshalb die Hälfte aller Veränderungsprojekte scheitern.

Hand aufs Herz, arbeiten Sie diejenigen Projekte auf, die schlecht gelaufen sind? Die meisten Unternehmer wollen diese lieber vergessen. Nach vorn schauen, weiter machen. Das ist die Losung der Erfolgreichen. Das ist ja auch richtig, doch der Mensch ist eben so gepolt, dass er aus Fehlern lernt.

Daher widmen wir uns in diesem Artikel den fünf häufigsten Gründen für das Versagen bei Projekten, die eine gewisse Veränderung verlangen. Solche Projekte sind typische Change-Management Projekte, aber auch Umsetzungen von Strategien oder M&A Projekte wie Carve-outs oder Post Merger Integrationen.
Was also sind die Gründe für das Scheitern von Veränderungsprojekten?

Grund eins: Das Tempo

Gut Ding will Weile haben, so lehrt uns der Volksmund. Leute zu hetzen, war noch nie eine gute Idee. Daher lassen wir uns Zeit. Zum Nachdenken. Zum Reinfühlen. Entschleunigung ist das neue Zauberwort, um Burn-outs zu vermeiden und die Mitarbeiter produktiv zu halten.

Der Autor ist sowohl Unternehmer als auch Manager und Berater. Auf Basis dieser Erfahrungen kann gesagt werden, dass Umsetzungserfolg und Geschwindigkeit direkt proportional miteinander in Verbindung stehen. Kein Strategieprojekt, kein M&A Verkaufsprojekt und auch kein Change- oder Post Merger Integrationsprojekt konnte in all den Jahren erfolgreich beendet werden, wenn sich die betreffenden Unternehmen Zeit gelassen haben. Change Projekte sind kein Dauerlauf – sie sind vielmehr eine Serie von Sprints. Auch wir Menschen unterliegen dem Naturgesetz der Trägheit und so ist jede Veränderung unangenehm, oftmals schmerzt sie auch. Wer also den Mitarbeitern die Wahl lässt, der darf sich nicht wundern, dass diese sich gegen die Veränderung und damit das Projekt entscheiden.

Für Veränderungsprojekte lassen sich in der Regel lediglich 30 % der involvierten Personen begeistern. Diese sind bereit, das Projekt voranzutreiben und erfolgreich zu machen. Weitere 30 % sind – meist still und heimlich – dagegen. Sie haben keine Lust auf Veränderung, sehen eher die Gefahren und Nachteile, als die Chancen, die solche Projekte bieten. Diese Mitarbeiter verweigern sich nicht nur der Veränderung, sie arbeiten sogar aktiv dagegen.

Die übrigen 40 % der Personen warten ab, was passiert und wohin sich die Mehrheit der Personen bewegen wird. Im angelsächsischen Raum sagt man, sie sitzen auf dem Zaun. Aber das Tragische daran ist, dass es diese Gruppe ist, die bestimmt, wie das Projekt am Ende ausgeht.

Die Frage ist daher, wie kann man die Unentschlossenen motivieren? Sicher nicht, in dem man sich und ihnen Zeit lässt.

Wer sein Integrationsprojekt nach dem Unternehmenskauf lieber mal ein Jahr nach hinten stellt, weil er die Mitarbeiter nicht überfordern möchte, der wird gefühlt so langsam, dass die Schnecken hinter ihm anfangen zu hupen.

Was aber, wenn die Organisation noch nicht bereit ist, für den Change? Muss nicht erst gemessen werden, wo sie steht, um zu wissen, ob das Projekt zu stemmen ist? Die Antwort ist: Nein. Die Organisation wird niemals bereit sein für das, was sie erwartet. Mehr noch: Je länger sie warten, desto weniger bereit wird sie sein. Zu Beginn von Integrationen, etwa nach Unternehmenskäufen, gibt es ein gewisses Momentum, das sich aus Ängsten und Erwartungen speist. Wenn dieses Momentum nicht genutzt und in Aktion übersetzt wird, findet sich die Organisation mit dem Status-Quo ab und eine spätere Motivation für Veränderung wird nur noch schwerer, irgendwann gar unmöglich.

Zustimmung und Mitläufer entstehen nicht durch zureden, sondern durch das Schaffen von Tatsachen. Natürlich müssen Mitarbeiter abgeholt werden, um sie auf die Reise mitzunehmen. Ein klassisches Thema für Führung und Kommunikation (siehe unten).

Grund zwei: Fehlende Klarheit und Verantwortlichkeit

Die nächsten zwei, eng miteinander verbundenen Gründe, sind nicht nur eine Hauptursache für Probleme bei Veränderungen in Organisationen, sondern auch für viele Probleme im täglichen Management in größeren Unternehmen.

Wer schon einmal in einer Matrix-Organisation gearbeitet hat, weiß, wie schwierig es sein kann, keinen direkten Boss zu haben, oder noch schlimmer, gar mehr als einen. Wenn nicht klar ist, wer Entscheidungen trifft oder wenn der Entscheidungsprozess so lange dauert, dass die Konkurrenz schon lange vorbeigezogen ist, macht die Zusammenarbeit wenig Freude – und schließlich auch wenig Sinn. Natürlich haben Matrix-Organisationen Vorteile, aber sie sorgen oft nicht für die notwendige Klarheit und Verantwortlichkeit im mittleren Management oder der funktionalen Ebene darunter. In Veränderungsprojekten kann dies ähnlich sein.

In solchen Projekten haben Menschen den natürlichen Drang, schnell in Aktionen zu treten. Die gestellte Frage ist: „WIE machen wir das?“, noch bevor überhaupt klar ist, was genau erreicht werden soll, wie dies gemessen wird und wer zuständig ist. Zwar wird stets ein großes, allgemeines Ziel, das durch das Projekt erreicht werden soll, formuliert. Oft aber ist es so, dass sich die Mitarbeiter, mangels Details, eine eigene Version des Ziels und des Weges dorthin schaffen, die sie dann versuchen umzusetzen.

Kaum jemals wird geklärt, wie das Endziel im Detail aussieht und welche Zwischenzustände und Ergebnisse fehlen, um das Ziel zu erreichen. Stattdessen verfallen Projektmitarbeiter in klassische Projektaktivitäten, die von Aktionen und Outputs gekennzeichnet sind. Das Projekt wird somit oftmals linear bearbeitet, die Outputs führen zu keinen nennenswerten Fortschritten im relevanten Zeitrahmen. Zudem wird das Projekt komplex, da viele Abhängigkeiten entstehen und jeder auf irgendwen oder irgendetwas wartet. Es wird folglich erneut analysiert und geplant, das Projekt dreht sich im Kreis.

Das richtige Anwenden von Objective Key Results (OKRs) kann hier Abhilfe schaffen. Mit einer stringenten Verfolgung dieses Managementansatzes und einem Mentalitätswandel, der am Neustart des Projektes über die gesamte Organisation erzeugt und dann aufrechterhalten wird, werden die Hauptziele in verarbeitbare Etappenziele heruntergebrochen. Außerdem wird klar vereinbart, wer (welches Team) für welchen Fortschritt zu sorgen hat und wer der OKR-Champion (der Hauptführungsverantwortliche) ist. Somit wird klar, was erreicht werden muss, wie dies zum Ziel beiträgt und wer die Entscheidungen trifft. Gemessen wird schließlich auch noch, z.B. alle 14 Tage. Denn nur was gemessen wird, wird auch gemacht. OKRs sind ein Führungs- und Steuerungsinstrument, das den Fokus auf das legt, was wirklich wichtig ist: Fortschritt und Ergebnisse sowie Zielerreichung.

Ein solches Arbeiten beflügelt, denn schnell werden Erfolgserlebnisse generiert. Die Teams entwickeln über einen Zeitraum von 3 bis 8 Monaten eine starke, intrinsische Motivation. Aus Schnecken-Projekten werden Rennpferde.

Grund drei: Mangelhafte Führung

Veränderungsprojekte werden stets von starken, engagierten Führungspersonen zum Erfolg geführt. Diese Personen überwinden die anfänglichen Zurückweisungen der involvierten Personen durch gute Argumentation, klare Anforderungen und Methodik, aber auch durch Einbezug der Mitarbeiter in den Prozess. Manchmal hilft auch ein Quäntchen Sturheit und Resilienz.

Ist der Start gelungen, muss sich die Führung auf neue Probleme einstellen. Denn in der Mitte des Prozesses kommt es in der Regel zu Konfusionen, die sich nicht immer leicht auflösen lassen. Doch die Führungspersonen bleiben hartnäckig, lösen Knoten und kämpfen sich mithilfe der Unterstützer des Projektes durch, bis die klare Vision des Projektes wieder durchscheint und für alle sichtbar ist.

Gute Führungspersönlichkeiten verstehen, dass Mitarbeiter je nach Erfahrung, Charakter und Typus sowie kultureller Herkunft, unterschiedliche Führungsansätze benötigen. Sie wechseln spielend zwischen diesen Ansätzen im Team.

Effektive Führung setzt klare Erwartungen und Ziele und gibt den nötigen Freiraum, in dem sich einzelne Mitarbeiter oder Teams bewegen können.

Wenn Teams nicht gut miteinander harmonieren, wenn einzelne Mitarbeiter immer wieder opponieren, dann liegt dies in der Regel an fehlerhaftem Führungsverhalten. Führungsfehler lassen sich am besten adressieren, wenn man direkt auf sie aufmerksam macht. Ein unabhängiger Dritter, der unter vier Augen (nicht immer leicht verdauliches) Feedback gibt, kann schnell zu neuer Wahrnehmung und Veränderungen im Verhalten der Führungsperson beitragen.

Grund vier: Falsche Anreize

Normalerweise zielen existierende Anreizsysteme in Organisationen darauf ab, den Status-Quo zu erhalten bzw. dessen Optimierung zu bewirken. Echte Veränderungsprojekte aber fordern den Staus-Quo heraus, eliminieren ihn oft sogar. Werden Anreizsysteme dann nicht angepasst, werden Mitarbeiter incentiviert, den alten Status zu erhalten und sich der Veränderung zu widersetzen!

Im Übrigen sind viele Anreiz- und Zielvereinbarungen Output und aktivitätsbasiert und verlangen weder konkrete Ergebnisse noch Wirkungen, die das Unternehmen eindeutig voranbringen. Die Wichtigkeit und Wirkung von Anreizsystemen wird systematisch unterschätzt.

50 % aller Politik in Unternehmen liegt an mangelhaften Zielvereinbarungen, der Rest an schlechter Führung.

Grund fünf: Schlechte Kommunikation

Kann man wirklich schlecht kommunizieren? Ja, das geht. Leider passiert das gar nicht zu selten. Am häufigsten ist das dann der Fall, wenn Wesentliches unterlassen, also nicht kommuniziert wird, oftmals aber auch weil es übersehen wird.

Mitarbeiter sind keine Unternehmer und sehen, in der Regel, zuerst die Probleme und vielleicht erst weit später die Chancen. Und das häufig auch nur dann, wenn Sie mit der Nase darauf gestoßen werden. Außerdem ist Veränderung unangenehm, weil sie mit Aufwand verbunden ist, und somit auf den ersten und manchmal auch auf den zweiten Blick nicht wirklich attraktiv.

Bei Veränderungsprojekten denken die Mitarbeiter zuallererst an sich. Sie fragen sich etwa:

  • Was bedeutet das für meine Position?
  • Ist mein Job in Gefahr?
  • Was habe ich davon?
  • Wie stark vergrößert sich der Workload?
  • Was genau wird hier von mir erwartet?
  • Welche negativen Auswirkungen hat das auf mich?

Daher ist es unabdingbar, die Wolke der Unklarheit und Mehrdeutigkeit schnell aufzulösen und zu führen, sprich: Klarheit und Verantwortlichkeiten zu schaffen und die Mitwirkenden mit guten Methoden durch den Prozess der Veränderung zu begleiten.

Wenn Mitarbeiter die Chance bekommen, Neues zu lernen und sich auf einem Projekt zu bewähren, ist dies erfahrungsgemäß eine starke Motivation, das Projekt zu unterstützen. So kann das Festlegen und Kommunizieren von neuen Verantwortlichkeiten gezielt genutzt werden, um mehr Zustimmung für die Veränderung zu bewirken.

Auch ein Mangel an Kommunikation kann schlecht sein. Oft musste der Autor erleben, dass die Kommunikationsbemühungen zu Beginn eines Projektes hoch waren, über die Zeit aber immer mehr nachgelassen haben. Ein schwerer Fehler, denn dort, wo der Fokus der Unternehmensführung wahrgenommen wird, fließt schlussendlich auch die Energie hin. Kontinuierliche Beschäftigung mit dem Fortschritt des Projektes ist also Chefsache und muss es bleiben, bis die Ergebnisse und Ziele erreicht wurden.

Natürlich ist ein Übermaß an Kommunikation dem Projekterfolg ebenso abträglich. Der Trick ist es, die richtigen Dinge zur richtigen Zeit dem richtigen Publikum zu sagen. Gute Kommunikation ist der Sauerstoff, der Veränderungsprojekte am Leben und im Fokus hält.

Fazit:

In der heutigen Welt des raschen Wandels, benötigen Entscheider und Unternehmensführer Methoden, die rasche Veränderungen im Verhalten von Organisationen bewirken.

Andere Denkweisen, die dabei unterstützen, Prioritäten neu zu ordnen und schnellere Entscheidungen zuzulassen, sind unerlässlich. Für den Erfolg von Projekten, die Veränderung im Unternehmen bewirkten, sind Geschwindigkeit, Klarheit, Verantwortlichkeit, Führung, die richtigen Anreize und gute Kommunikation die Haupterfolgsfaktoren.

Unternehmer können es sich nicht mehr leisten, den Wandel zu ignorieren und einfach das zu tun, was sich von selbst ergibt oder was sich früher bewährt hat. Sie müssen sich der Zeit stellen und das tun, was heute funktioniert.

Beyond the Deal: Weil die Ergebnisse zählen.

Zum Autor:

Stephan Jansen ist Management-Berater und geschäftsführender Gesellschafter des Beratungsunternehmens Beyond the Deal (www.beyondthedeal.de), mit Büros in Paris und Frankfurt. Er unterstützt Unternehmen bei Themen rund um Unternehmensstrategie, Strategieumsetzung, M&A (Unternehmensverkauf und Zukauf), Post-Merger-Integration, sowie Leadership & Team-Performance und Verhandlungsführung.

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