von Rechtsanwalt und Hochschullehrer Prof. Dr. Bröker und Rechtsanwalt Schmidt, Göttingen
Der vertraglich gebundene Vermittler (vgV) ist das wichtige Bindeglied zwischen Kunde und Institut, ohne zugleich im Besitz einer aufsichtsbehördlichen Erlaubnis zur Erbringung von Finanz- oder Wertpapierdienstleistungen zu sein. Er ist derjenige, der die Finanzinstrumente vertreibt, den direkten Kundenkontakt hat und damit in vorderster Linie der „Vertriebsfront“ steht. Die von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in den Jahresberichten 2020 und 2021 veröffentlichten Zahlen, die jeweils über 20.000 gebundene Vermittler ausweisen, sprechen für sich. Das soll zum Anlaß genommen werden, sich mit den Anforderungen an die Qualifikation der vertraglich gebundenen Vermittler (vgV) näher zu beschäftigen.
Die rechtlichen Voraussetzungen für den vgV
Der gebundene Vermittler (vgV) ist rechtlich in § 2 Abs. 10 Kreditwesengesetz geregelt. Es handelt sich dabei um ein Unternehmen mit Sitz im Inland, das keine Bankgeschäfte betriebt und das als Finanzdienstleistung nur die Anlagevermittlung, die Anlageberatung oder das Platzierungsgeschäft betreibt und dabei ausschließlich für Rechnung und unter der Haftung eines Kreditinstitutes (sog. Haftungsdach), das seinen Sitz im Inland hat oder nach § 53b KWG im Inland tätig ist und dies der BaFin zuvor angezeigt hat. Die Tätigkeit des vgV wird dabei dem haftenden Unternehmen (Institut) zugerechnet. Der vgV selbst gilt dann nicht als erlaubnispflichtiges Finanzdienstleistungsinstitut.
Gleiches ist in § 3 Abs. 2 Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG) geregelt.
Die in §§ 2 Abs. 10 KWG, 3 Abs. 2 WpIG gesetzlichen Merkmale des vgV lassen sich also wie folgt festhalten:
- Erbringung der Anlagevermittlung
- Erbringung der Anlageberatung
- Erbringung des Platzierungsgeschäftes
- Ohne eigene Erlaubnis
- Unter Haftung eines Instituts, welches im Rahmen der ihm erteilten Erlaubnis handelt
- Exklusivität (nur ein Haftungsdach)
- Detaillierte vertragliche Regelung mit dem Haftungsdach
- Anzeige der Tätigkeit als vgV durch das Haftungsdach vor Aufnahme der Tätigkeit.
Hinzu kommen noch die Anforderungen nach der KWG-Vermittlerverordnung (KWG-VermV). Darin ist festgelegt, dass das Haftungsdach die Anzeige elektronisch mit bestimmten Inhalten bei der BaFin einreichen muss, damit diese den so angezeigten vgV in das bei ihr geführte Register der vertraglich gebundenen Vermittler eintragen kann. In das Register werden dann die in § 4 KWG-VermV festgelegten Angaben eingetragen. Dabei handelt es sich u. a um den Namen, ggfalls die Rechtsform des vgV, Tag des Beginns der Tätigkeit, Ende der Tätigkeit, Eingang der Anzeige bei der BaFin etc.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es eine der KWG-VermV entsprechende Rechtsverordnung zum WpIG (noch) nicht gibt. Daher wird für die Anforderungen an die vgV, die für Wertpapierinstitute arbeiten, auf die Regelungen in der KWG-VermV zurückgegriffen.
Bei dem vgV kann es sich sowohl um eine natürliche Person, als auch um eine juristische Person (z. B. eine GmbH) oder eine Personengesellschaft (z. B. eine oHG oder eine KG, GmbH& Co KG) handeln.
Zusätzlich muss das Haftungsdach nach § 3 KWG-VermV die Zuverlässigkeit und die fachliche Eignung des vgV, auch Sachkunde genannt, prüfen und dies gegenüber der BaFin bestätigen. Für diese Anforderungen kann auf die Regelungen in der Wertpapierhandelsgesetz-Mitarbeiter-Anzeigenverordnung (WpHGMaAnzV) zurückgegriffen werden. Schließlich gilt ein vgV als relevante Person im Sinne von Art. 2 Nr. 1c EU-Verordnung 2017/565 und damit als Mitarbeiter des Haft5ungsdaches. Sofern der vgV keine natürliche Person ist, gelten diese Regelungen und die Einstufung als Mitarbeiter gleichwohl und zwar auf der Ebene der Geschäftsführer und der Gesellschafter des vgV.
Die Zuverlässigkeit
Die Zuverlässigkeit nach § 6 WpHGMaAnzV besagt, dass der vgV in den letzten 5 Jahren vor Beginn der anzeigepflichtigen Tätigkeit nicht rechtskräftig verurteilt worden sein darf und auch kein Insolvenzverfahren durchlaufen haben darf. Auch ist ein aktuelles polizeiliches Führungszeugnis vorzulegen und eine Straffreiheitserklärung (keine Vorstrafen) abzugeben. Das Haftungsdach kann zusätzlich auch die Vorlage einer aktuellen Schufa-Auskunft nebst der Versicherung, in wirtschaftlich geordneten Verhältnissen zu leben, verlangen. Betreibt der vgV ein Gewerbe, so ist neben der Gewerbeerlaubnis auch ein Gewerbezentralregisterauszug nach §§ 149, 150 GewO einzureichen.
Das Vorliegen der Zuverlässigkeit besteht stets auf der Ebene der natürlichen Person. Ist der vgV eine juristische Person, so ist die Zuverlässigkeit auf der Eben der Geschäftsführer und ggfalls auch auf der Ebene der Gesellschafter vom Haftungsdach zu prüfen.
Die fachliche Eignung/Sachkunde
Die Sachkunde, insbesondere für die Mitarbeiter im Vertrieb und in der Anlageberatung, also auch für die vgV, ist im Wesentlichen in §§ 1, 1a WpHGMaAnzV geregelt. Dabei werden unter „Sachkunde“ neben den theoretischen Kenntnissen (Ausbildung/Schulungen) auch die praktischen Kenntnisse (also im Ergebnis: Berufserfahrung) verstanden.
Danach sind in der Kundenberatung (Anlageberatung) und im Vertrieb mindestens folgende Kenntnisse notwendig:
- Bedarfsermittlung
- Lösungsmöglichkeiten
- Produktdarstellung
- Produktinformation
- Serviceerwartung des Kunden
- Besuchsvorbereitung
- Kundenkontakte
- Kundengespräch
- Kundenbetreuung
- Vertragsrecht
- Kenntnisse im WpHG, KAGB = Kapitalanlagegesetzbuch, WpIG und der sonstigen Rechtsnormen, die im Zusammenhang mit der Anlageberatung wichtig sind
- Kenntnisse der Regelungen der Aufsicht und deren Befugnisse
- Funktionsweise der Finanzmärkte und aller Finanzprodukte, die Gegenstand der Anlageberatung sein können
- Risiken und Bewertungsgrundlagen der Finanzinstrumente
- Gesamtheit aller im Zusammenhang mit den Geschäften/Finanzinstrumenten anfallenden Kosten und Gebühren
- Grundzüge des Portfoliomanagements einschließlich der Auswirkungen von Diversifizierungen
- Kenntnisse im Hinblick auf die Vermeidung von Marktmissbrauch und die Verhinderung und Bekämpfung der Geldwäsche
- Kenntnisse der Compliance-Struktur und Compliance-Kultur des Haftungsdaches
Nachgewiesen werden können solche Kenntnisse u. a. durch eine qualifizierte Berufsausbildung, durch Abschluss- oder Arbeitszeugnisse, bisherige Tätigkeiten nebst Stellenbeschreibungen sowie Schulungs- und Weiterbildungsnachweise.
Das Haftungsdach hat dabei sicherzustellen, dass der vgV über alle diese Kenntnisse verfügt und sich im laufenden Betrieb weiter schulen läßt und zwar sowohl im Hinblick auf neue Produkte als auch im Hinblick auf neue rechtliche/aufsichtsrechtliche Anforderungen.
Die Einbindung in die Compliance-Struktur und Compliance-Kultur des Haftungsdachs
Das Haftungsdach hat den vgV in seine Compliance-Struktur und seine Compliance-Kultur (Art der Überwachung und Risikofreudigkeit) einzubinden und entsprechend den vom Haftungsdach schriftlich festgelegten Organisationsregelungen in seiner Tätigkeit laufend zu überwachen und in die aufsichtsrechtlich notwendigen Prüfungen (z. B. mindesten jährliche Compliance-Prüfung, jährliche Revision, Risikoberichterstattung) einzubeziehen. Dazu gehören auch Vor-Ort Prüfungen seitens des Haftungsdaches im Hinblick auf den ordnungsgemäßen Geschäftsablauf beim des vgV.
Fazit
Die hohe Zahl an vgV macht deutlich, wie bedeutend in der Praxis diese Tätigkeit ist. Die Anforderungen an die Sachkunde sind sehr umfassend und verlangen ein intensives Training sowie laufende Fortbildungen. Gleichzeitigt ist der vgV exklusiv tätig und damit in besonderem Maße an das Haftungsdach gebunden. Das gilt auch ganz besonders für seine zwingend notwendige Einbindung in die Compliance-Struktur und Compliance-Kultur des Haftungsdaches sowie die ständige Überwachung durch das Haftungsdach.