Goldanlagen werden traditionell als Inflationsschutz wahrgenommen. Allerdings: 2021 kam Gold dieser Funktion bisher nur bedingt nach. Obwohl sich die Inflationsentwicklung im bisherigen Jahresverlauf stark beschleunigte, zuletzt auf +5,4 Prozent in den USA bzw. +2,2 Prozent in Europa, liegt der Preis für eine Feinunze Gold mit aktuell ca. 1.808 $/oz gut 5 Prozent unter dem Niveau zu Jahresbeginn.
Diese Entwicklung ist auf den ersten Blick erstaunlich. Denn bei einem US-Realzinsniveau von inzwischen -3,8 Prozent hätte man eigentlich eine bessere Wertentwicklung erwarten können. Auch vom Crash des Bitcoins konnte Gold kaum profitieren. Gold und Bitcoin haben als gemeinsame Eigenschaft, dass sie nicht beliebig vermehrbar sind – und dass das zukünftige Angebot begrenzt ist. Beide Anlageformen haben daher eine gewisse „Werterhaltungsfunktion“. Obwohl sich der Bitcoin vom Hoch im April von fast 65.000 $ zwischenzeitlich mehr als halbierte, konnte Gold nicht profitieren. Ursache dürfte sein, dass die Gold-ETF-Zuflüsse seit April bzw. im 2. Quartal nur marginal (40,7 Tonnen) gestiegen sind. Im 1. Halbjahr 2021 kam es sogar zu stärkeren Abflüssen von insgesamt gut 130 Tonnen.
Gold-ETFs: aktuell keine Unterstützung für den Goldpreis
Bekannterweise war 2020 die Investmentnachfrage und hier vor allem die mit Gold hinterlegten Indexfonds (ETFs) der Haupttreiber der Goldpreisentwicklung. Angesichts einer erwarteten Erholung des weltweiten Wirtschaftsgeschehens ziehen viele Investoren nun aber ihr Geld aus Gold-ETFs ab, da sie temporär bessere Chancen in anderen Sektoren sehen. Mit Blick auf das Inflationsgeschehen scheint auch der Goldpreis bereits eine gewisse zukünftige Normalisierung einzupreisen – und somit der Prognose der US-Notenbank zu folgen, welche den aktuellen Inflationsanstieg als nur vorübergehend („temporarily“) ansieht. In diesem Szenario und unter Annahme moderat steigender Zinsen für zehnjährige US-Staatsanleihen würden die zukünftigen Realzinsen „weniger negativ“ rentieren. Mögliche Folge: Gegenwind für Gold-ETF-Käufe. Auf der Nachfrageseite erfährt Gold zudem weiteren Gegenwind von der geringen physischen Nachfrage aus den wichtigsten Goldabnehmerländern Indien und China.
Belastend für Gold, aber auch für Industriemetalle bzw. Rohstoffe generell, war zuletzt auch die Stärke des US-Dollars. Sollte die EZB zukünftig eine stärkere expansive Geldpolitik als die FED verfolgen, könnte der Gegenwind durch einen stärkeren Dollar anhalten. Fazit Gold: Auch wenn ein gewisser Gold-Depotanteil langfristig als Krisenabsicherung sinnvoll erscheint, dürfte das kurzfristige Chance/Risiko-Verhältnis nur ausgeglichen sein. Ein Anstieg Richtung Höchststände erscheint kurzfristig unrealistisch.
Industriemetalle und andere zyklische Rohstoffe vor neuem Superzyklus?
Deutlich besser als Gold haben sich 2021 Industriemetalle wie Kupfer und Nickel (+26 Prozent bzw. +17 Prozent in USD) oder zyklische Rohstoffe wie Eisenerz entwickelt. Ist das der Beginn des nächsten Superzyklus – oder handelt es sich um einen kürzeren normalen Aufschwung? Der letzte Superzyklus im Rohstoffbereich begann vor gut 20 Jahren, ausgelöst durch die Industrialisierung und an Fahrt gewinnende Urbanisierung Chinas und endete 2011. Heute steht China für rund 50 Prozent der weltweiten Rohstoffnachfrage. Ohne eine hohe bzw. steigende Rohstoffnachfrage Chinas erscheint ein neuer Superzyklus in der Breite unrealistisch.
China hat 2020 zur Bewältigung der Corona-Pandemie stimuliert. Im laufenden Jahr wurden die Stimulierungsmaßnahmen aber wieder zurückgefahren und zudem Maßnahmen getroffen (Auflösung von Metallreserven, Einschränkungen bei spekulativen Terminkäufen), um die Preissteigerungen bei vielen Rohstoffen einzudämmen. Die jüngste Tendenz bei den Industriemetallen ist daher vor allem auf die Bremsmaßnahmen Chinas zurückzuführen. Mittel- bis längerfristig will die chinesische Regierung das Land weg vom auf (staatlichen) Infrastrukturinvestitionen basierenden Wachstumsmodell hin zu einer auf Service- und Konsumdienstleistungen basierenden Volkswirtschaft umbauen. Diese Politik sollte mit einer tendenziell niedrigeren Rohstoffnachfrage einhergehen – was damit auch gegen einen neuen breiten Superzyklus spricht.