Der aktuelle Neuwirth Finanzkommentar
Anfang letzter Woche tagte die amerikanische Notenbank (Fed), um über die geldpolitische Ausrichtung zu entscheiden. Die Inflationsrate lag in den USA zuletzt weiter über dem ausgesprochenen Inflationsziel von 2 Prozent. Reicht das der Fed aus, um eine restriktivere Geldpolitik zu fahren? Erfahren Sie in der heutigen Ausgabe des Zinskommentars, warum es nur für erste Signale einer Straffung der Geldpolitik reicht.
Markt-Monitoring und Ausblick
Kurzfristiger Zins: Der 3-Monats-Euribor verharrt seit Dezember zwischen – 0,57% und – 0,53% und steht aktuell bei – 0,544%. Bis Ende 2021 erwarten wir einen Seitwärtsverlauf zwischen – 0,50% und – 0,60%. Dieser orientiert sich an der Einlagenfazilität der EZB.
Langfristiger Zins: Der 10jährige SWAP-Satz/3M steht derzeit bei – 0,10%. Die nächsten 6-12 Monate werden sich die Zinsen seitwärts bewegen und zwischen – 0,3% und + 0,2% tendieren. Ob es sich um eine echte Zinstrendwende handelt, oder nur um einen Zinsbuckel wie in 2011, beantworten wir Ihnen gerne in einem persönlichen Gespräch.
Fed sendet erste Signale einer Straffung der Geldpolitik
>Die Entscheidung am 28. Juli umfasste ein Beibehalten des Zinskorridors bei 0 bis 0,25 Prozent. Ebenso wird die Fed weiterhin monatlich Anleihen im Gesamtumfang von 120 Milliarden Euro erwerben. Dieser Beschluss geschieht in einem wirtschaftlichen Umfeld, das in der Vergangenheit durchaus Anlass für eine restriktivere Geldpolitik gegeben hätte. Die Preise stiegen im Juni um 5,3 Prozent und damit mehr als doppelt so stark wie der ausgesprochene Zielwert (vgl. Abbildung 1). Ebenso konnte sich die Arbeitslosenquote sichtbar erholen und liegt inzwischen bei knapp unter 6 Prozent. Doch warum sieht die Fed immer noch keinen Handlungsbedarf?
Zunächst geht die Fed davon aus, dass die derzeitigen Preissprünge lediglich auf kurzfristige Effekte zurückzuführen sind, da die Preise im letzten Jahr stark eingebrochen sind und sich bei der Messung der Inflation immer auf den Vorjahresmonat bezogen wird. Ob die Fed damit Recht behält, wird sich bis Anfang nächsten Jahres zeigen. Darüber hinaus kompensieren zwar Konsumenten den in der Pandemie entgangenen Konsum, jedoch nicht über alle Produkte hinweg. Die Inflation ist also nicht flächendeckend gestiegen, sondern beruht auf nur einer Handvoll Produkte, wie z.B. Reisen oder Autos. Ebenso wünscht die Fed noch eine stärkere Erholung des Arbeitsmarktes, um Vollbeschäftigung zu erreichen. Dies bedeutet eine Arbeitslosenquote um die 4 Prozent. Dennoch lassen die jüngsten Preisentwicklungen die Fed nicht vollkommen unbeeindruckt. So deutete die Führungsriege der amerikanischen Notenbank an, in der nächsten Sitzung zu prüfen, ob eine Fortführung des Anleiheprogrammes im aktuellen Umfang gerechtfertigt ist.
Abbildung 1: Inflation und Arbeitslosenquote in den USA
Die Entscheidung der Fed abzuwarten, ist durchaus sinnvoll, da die zunehmende Verbreitung der Delta-Variante die wirtschaftliche Erholung durch erneute Einschränkungen gefährdet. Auch aufgrund der Tatsache, dass der neue amerikanische Präsident, Joe Biden, entschlossener gegen die Verbreitung des Virus kämpft. Solange der Virus ein nicht kalkulierbares Risiko bleibt, ist eine Straffung der Geldpolitik risikoreicher, als die Tolerierung kurzfristiger Preissprünge. Durch die jetzt in die Wege geleitete, regelmäßige Überprüfung des Anleihekaufprogrammes erlangt die Fed Flexibilität, im Falle einer Zuspitzung der Inflationsentwicklung schneller reagieren zu können. Ebenso beruhigt die Fed damit all jene Markteilnehmer, die sich vor einer Hyperinflation fürchten. Das Licht am Ende des Tunnels scheint sichtbar. Wie lange der Weg dorthin noch dauert, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.