Es ist jedes Jahr dasselbe: Zum Jahresende, präzise am 31.12. um 0:00 Uhr wird nicht nur – oft sehr laut – das neue Jahr eingeläutet, sondern verjähren – meist ganz leise – viele Ansprüche. Sind Ansprüche, also das Recht, von einem anderen etwas zu fordern, einmal verjährt (§ 194 BGB), also auf Grund von Zeitablauf erloschen, kann man sie nicht mehr geltend machen. Der Schuldner ist dann befugt, die Einrede der Verjährung (§ 214 BGB) wirksam zu erheben mit der Folge, dass der Anspruchsteller „in die Röhre schaut“. Hintergrund solcher Regelungen ist – wie könnte es anders sein – das Gesetz.
Konkret schreibt § 195 BGB vor, das die Verjährung drei Jahre beträgt. Die Frist für die Verjährung beginnt grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs.1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Ansprüche, die im Verlaufe des Jahres 2015 entstanden sind, verjähren danach in aller Regel zum 31.12.2018, aber nur dann, wenn der Anspruchsteller in 2015 bereits alles wusste oder wissen musste, was nötig ist, um seine Ansprüche „schlüssig“ begründen zu können.
Neben der eben genannten, kenntnisabhängigen Verjährung gibt es gemäss § 199 Abs. 4 BGB noch eine Art Rahmenfrist von 10 Jahren, die kenntnisunabhängig (!) ist und auch nicht mit dem Schlusse des Jahres der Anspruchsentstehung beginnt, sondern stichtagsbezogen (!) am den Tag des sogenannten schadensstiftenden Ereignisses, z. B. der Tag des Abschlusses des Bankvertrages. Ist ein solcher Vertrag also beispielsweise am 08.05.2014 geschlossen worden, läuft die kenntnisunabhängige Frist am 08.05.2024 ab.
Die Krux bei der kenntnisabhängigen Frist liegt nun darin, festzustellen, wann ein Gläubiger diese Kenntnis erlangte oder hätte erlangen müssen. Das kann nur im Einzelfall geprüft werden, da es dabei stets auf die konkreten Umstände ankommt.
Ausserdem ist stets zu prüfen, ob es mehrere, zeitlich nachgelagerte, Ereignisse gibt, die als „schadensstiftendes Ereignis“ gelten können.
Das kann insbesondere bei Ansprüchen gegen Banken sehr unterschiedlich sein: Massgeblich ist nämlich, was für eine Art Vertrag der Kunde schliesst. Handelt es sich um einen Vertrag über komplexe Produkte – z. B. ein Fremdwährungsdarlehen, ggf. noch mit einer fondsgebundenen Lebensversicherung als endfälliger Tilgungsträger -, dann gilt für die Bank, dass sie auch „Makler“ der Kundeninteressen ist und diese ständig in der ganzen Laufzeit des Vertrages zu beachten hat. Entwickeln sich dann Kurse schlecht und die Bank rät nicht dazu, aus dem Fremdwährungsdarlehen in ein Euro-Darlehen umzusteigen, dann ist das ein neues schadensstiftendes Ereignis. Und überdies gilt eine stete laufende Beratungs- und Aufklärungspflicht – spiegelbildlich zu den Pflichten, die bei Abschluss des Vertrages bestehen – und das bedeutet, dass Verjährungsfristen, gleichgültig ob solche mit Kenntniserfordernis oder ohne eigentlich erst beim Ende des Engagements des Kunden bei der Bank überhaupt in Lauf gesetzt werden können. Eine Tatsache, die vielen Kunden unbekannt ist, die dann denken, ihre Ansprüche seien längst verjährt, obwohl sie es noch gar nicht sind!
Wenn jedoch Verjährung zu befürchten ist, können in solchen Fällen Maßnahmen hilfreich sein, mit denen man den Lauf der Verjährungsfrist wirksam unterbrechen kann. Eine solche Unterbrechung hat dann zur Folge, dass der Lauf der Verjährungsfrist sich verlängert und während einer solchen Maßnahme gehemmt ist. Die wesentlichen Regelungen dazu enthalten die §§ 203 ff BGB.
Anleger oder Geschädigte, die mit ihrer Bank möglicherweise wegen Schadenersatz streiten wollen, müssen stets vor Jahresablauf überlegen, ob sie noch verjährungsunterbrechende Maßnahmen ergreifen wollen oder sogar müssen.
Hierzu lässt sich kurz folgendes sagen:
Nach § 203 BGB wird die Verjährung bei der Aufnahme von Verhandlungen zwischen den Parteien gehemmt. Allerdings ist es so, dass typischerweise Banken entweder nicht verhandeln oder aber gerade im Hinblick auf eine mögliche Hemmung der Verjährung, erhobene Ansprüche ablehnen. § 203 BGB bietet also kein probates Mittel, um die Verjährung möglicher Ansprüche gegenüber einer Bank zu hemmen.
Nach § 204 BGB wird die Verjährung durch Rechtsverfolgung gehemmt. Diese Rechtsverfolgung kann entweder durch Zustellung eines Mahnbescheides, Stellung eines Antrages an eine staatliche Streitbeilegungsstelle (Güteantrag), Musterfeststellungsklage oder Klageerhebung erfolgen.
Bei einem Mahnbescheid muss der Anspruch konkret begründet werden. Die bloße Begründung „Anspruch auf Grund Beratungsverschuldens“ reicht dazu nicht, vielmehr muss die konkrete Anlage, die Summe, die konkreten Vertragsbedingungen und der Ablauf der Beratung nebst Darstellung des Beratungsverschuldens angegeben werden. Bei den Mahnbescheiden besteht daher das Problem, dass im Rahmen des dafür notwendigen Formulars keine ausführlichen Begründungen für den Anspruch eingetragen werden können, da dafür schlicht und einfach kein Platz ist. Damit ist es in aller Regel nicht möglich, bei komplizierten Rechtslagen wie z. B. bei Fremdwährungsdarlehen zur Verjährungsunterbrechung wirksam einen Mahnbescheid zu beantragen und diesen zustellen zu lassen.
Die Erhebung einer Musterfeststellungsklage setzt voraus, dass diese durch eine dafür qualifizierte Einrichtung (§ 606 ZPO, z. B. einen Verbraucherschutzverband) erhoben wird und sich mindestens 50 Kläger in dem Musterklagenregister vor Fristablauf eintragen lassen. Daher ist auch ein solches Verfahren zur Hemmung der Verjährung bei Fremdwährungsdarlehensgeschädigten eher nicht möglich, jedenfalls dann nicht, wenn sich keine 50 Geschädigten haben in das Register eintragen lassen.
Andere Musterverfahren können von Fremdwährungsgeschädigten nicht geführt werden, da diese nur für geschädigte Kapitalanleger möglich sind, nicht aber für Darlehensnehmer.
Damit bleiben zur möglichen Verjährungsunterbrechung nach § 204 BGB nur die Klageerhebung oder der qualifizierte Antrag an eine anerkannte Streitschlichtungsstelle (Güteantrag). Bei letzterem wird bei einer Stellung eines Güteantrages nur aus dem Gesichtspunkt der Verjährungshemmung aber in aller Regel geprüft, ob es sich dabei nicht möglicherweise um eine unzulässige Rechtsausübung im Sinne des § 242 BGB (Verstoß gegen Treu und Glauben) handeln kann.
Selbst wenn mit einer solchen Maßnahme die Hemmung der Verjährung kurzfristig erreicht wird, endet diese Hemmung bereits sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder einer anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens (§ 204 Abs. 2 BGB).
Ein rechtskräftiger „Titel“, z. B. ein Urteil oder ein Vollstreckungsbescheid hält 30 Jahre (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB), man sollte dann aber regelmässig beim Schuldner nachhaken, da der Titel ansonsten auch einmal „verwirken“ kann.
Wir können hier natürlich nicht jede Besonderheit darstellen, die obige Darstellung dient aber der allgemeinen Information.
Rechtsanwälte Prof. Dr. Bröker und Markolf Schmidt, Göttingen
Anmerkung der Redaktion: Sofern Sie eine Kontaktherstellung zu der Kanzlei wünschen, so schreiben Sie uns dazu einfach eine kurze Email an: info@finanzpraxis.com mit dem Stichwort „Verjährung“