Für den deutschen Aktienmarkt könnte ein Waffenstillstand positive Auswirkungen haben, denn viele DAX-Unternehmen sind eng mit der europäischen Konjunktur und dem Wiederaufbau in Osteuropa verbunden. „Für europäische Aktien ist das definitiv eine gute Nachricht, und wir sehen bereits eine erste Marktreaktion“, sagt Jakob Vejlø, Chefanalyst beim milliardenschweren Vermögensverwalter Bankinvest.
„Die Märkte reagieren sensibel auf geopolitische Entwicklungen – und ein Waffenstillstand könnte die Unsicherheit reduzieren und neue wirtschaftliche Impulse setzen“, sagt Henrik Henriksen, Chefstratege bei Petersen and Partners.
Deutsche Wirtschaft besonders betroffen
Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas hat in besonderem Maße unter den wirtschaftlichen Folgen des Krieges gelitten. Hohe Energiepreise, gestörte Lieferketten und eine schwächelnde Industrieproduktion haben das Wachstum gebremst. Ein Friedensabkommen könnte daher nicht nur die Börse beflügeln, sondern auch die reale Wirtschaft in Deutschland positiv beeinflussen.
„Die Aussicht auf Frieden würde eine große Erleichterung für energieintensive Industrien wie Chemie und Maschinenbau bringen, die in den letzten Jahren unter den hohen Gaspreisen gelitten haben“, sagt Tine Choi Danielsen, Chefstrategin bei PFA. Auch die Bauindustrie könnte stark profitieren.
Viele deutsche Bau- und Infrastrukturunternehmen haben Erfahrung im internationalen Wiederaufbau und könnten eine Schlüsselrolle in der Ukraine übernehmen. Deutschland hat eine starke Position im Bau- und Maschinenbausektor, und es gibt viele Unternehmen, die von einer groß angelegten Modernisierung der Ukraine profitieren würden.
Ein „Mini-Marshallplan“ für Europa?
Die Weltbank schätzt die Kosten für den Wiederaufbau der Ukraine derzeit auf rund 486 Milliarden US-Dollar – eine Zahl, die weiter steigen könnte. Ein Wiederaufbauprogramm im Stil eines Mini-Marshallplans wäre eine große Chance für viele europäische Unternehmen, insbesondere aus Deutschland. Deutsche Konzerne aus der Bau-, Maschinenbau- und Energiebranche könnten eine führende Rolle bei der Modernisierung der Infrastruktur in der Ukraine spielen. Siemens, Hochtief oder Heidelberg Materials sind Unternehmen, die potenziell stark profitieren könnten.
Finanz- und Verteidigungssektor im Fokus
Neben der Bauindustrie könnte auch der Finanzsektor profitieren. Banken wie die Deutsche Bank und Commerzbank könnten durch eine wirtschaftliche Erholung in Osteuropa höhere Kreditnachfragen und stabilere Zinsumfelder erleben. Gleichzeitig könnte die Rüstungsindustrie weiter wachsen – trotz eines möglichen Friedensabkommens.
Deutschland hat bereits beschlossen, seine Verteidigungsausgaben massiv zu erhöhen, und mit dem geplanten Sondervermögen der Bundeswehr sowie steigenden NATO-Anforderungen bleiben Unternehmen wie Rheinmetall oder Hensoldt langfristig gefragt. „Auch wenn es kurzfristig nach einem Friedensschluss eine leichte Beruhigung geben könnte, werden langfristig höhere Verteidigungsausgaben in Europa nötig sein. Die Bedrohungslage bleibt bestehen, und die Armeen vieler Länder müssen modernisiert werden“, sagt Senior Investment Strategistin Natalia Setlak der Danske Bank.