An den Börsen ist der Preis für ein Kilogramm Kaffee viermal so hoch wie vor fünf Jahren. Die Gründe für die Rekordpreise, die noch lange volatil bleiben werden, sind vielfältig. Die größte Bedrohung stellen jedoch veränderte Wetterzyklen und die Abholzung tropischer Wälder durch den Menschen dar. Der Dollarpreis für Arabica-Kaffeebohnen stieg im vergangenen Jahr an der Börse in New York um 68 Prozent. Im Dezember überschritt er den Rekord aus dem Jahr 1977. Ende Januar dieses Jahres kletterte der Preis auf 8,33 Dollar pro Kilogramm, was mehr als das Vierfache im Vergleich zu vor fünf Jahren war. Die Preise für den weniger hochwertigen und günstigeren Robusta-Kaffee stiegen ähnlich.
Die Nachfrage nach Kaffee übersteigt seit mehreren Jahren das Angebot, was eine Welle spekulativer Käufe ausgelöst hat, die die Marktpreise weiter in die Höhe treiben. Der Preisanstieg wurde im vergangenen Jahr durch die Angst vor schlechten Ernten in den größten Produktionsländern Brasilien und Vietnam verstärkt. Schlechte Ernten werden durch Dürren, Frost spät in der Saison, Regen zu unpassenden Zeiten sowie durch Krankheiten und Schädlingsbefall verursacht.
EU-Gesetz gegen Abholzung lässt Preise steigen
Ähnliches geschah im vergangenen Jahr mit Kakao, dem Hauptbestandteil von Schokolade. Ein zehnprozentiger Mangel an Rohstoffen führte zu einem Anstieg der Kakaopreise um mehr als 300 Prozent. Es gibt noch weitere Unsicherheitsfaktoren auf dem Kaffeemarkt, wie zum Beispiel Transportstörungen im Roten Meer, die dazu führen, dass Schiffe aus Südostasien Afrika umfahren müssen, sowie die Zollandrohungen von Donald Trump.
Die Händler haben die Preise auch aufgrund des angekündigten Inkrafttretens des EUDR-Gesetzes erhöht, mit dem die EU den Import von Produkten verbietet, die zur Abholzung von Wäldern beitragen. Die Gesetzgeber haben Ende letzten Jahres den Beginn der Umsetzung auf Ende 2025 verschoben. Die Nachfrage nach Kaffee hat sich über die traditionellen Märkte in Europa und den beiden Amerikas hinaus ausgeweitet. Besonders in China hat sich die Nachfrage in den letzten vier Jahren fast verdreifacht.
Analysten erwarten anhaltende Preisvolatilität in den kommenden Jahren
Für den Kaffeemarkt sind auch sehr geringe Lagerbestände charakteristisch. Daher erwarten Analysten in den kommenden Jahren eine anhaltende Preisvolatilität, berichtete France24 im Januar.
In der Anbausaison 2024–2025 sollen nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums etwa 176 Millionen Sack Kaffee produziert werden (ein Sack wiegt 60 Kilogramm): 56 Prozent Arabica und 44 Prozent Robusta. Brasilien produziert 40 Prozent des weltweiten Kaffees, gefolgt von Vietnam (17 Prozent), Kolumbien (7 Prozent), Indonesien (6 Prozent) und Äthiopien (5 Prozent). Zu den weiteren großen Anbauländern zählen Uganda, Indien, Honduras, Peru und Mexiko.
Kaffee ist zu einer „kannibalistischen Ware“ geworden
Etwa 80 Prozent der weltweiten Kaffeevorräte werden von rund 25 Millionen Kleinbauern produziert, von denen zwei Drittel Plantagen bewirtschaften, die kleiner als ein Hektar sind. Experten schätzen, dass trotz steigender Preise 75 Prozent dieser Kleinbauern in Armut leben, da sie wenig Spielraum bei der Preisgestaltung auf dem globalen Rohstoffmarkt haben, der von wenigen multinationalen Verarbeitern und Distributoren dominiert wird. 80 Prozent der weltweiten Kaffeeproduktion werden von großen Handelsunternehmen gekauft, während Fair-Trade-Programme, die den Erzeugern ein existenzsicherndes Einkommen garantieren, nur fünf Prozent des Marktes ausmachen.
Kaffee ist zu einer „kannibalistischen Ware“ geworden, sagen Experten der gemeinnützigen Organisation Coffee Watch. Seine Produktion hat große Waldflächen zerstört: Wenn man den Wald vernichtet, verliert man Niederschläge und die Fähigkeit, landwirtschaftliche Systeme vor Dürre zu schützen. Die Folge ist ein geringeres Kaffeeangebot, das Spekulationen anheizt – auch durch Finanzhändler an den Terminmärkten – und dramatische Preissteigerungen verursacht. Der Atlantische Regenwald in Brasilien ist in der Vergangenheit um mehr als 90 Prozent geschrumpft, wobei der Großteil der Abholzung für den Kaffeeanbau erfolgte.
Kaffee-Markt durch instabilen Wetterzyklus bestimmt
Sean Hackett, Finanzberater mit Spezialisierung auf Investitionen in landwirtschaftliche Produkte an den Terminmärkten, erklärte in einem Interview mit der Finanzplattform Real Vision ausführlich die Auswirkungen zyklischer Wetterphänomene. Diese werden durch Sonnenaktivität, Meeresoberflächentemperaturen und Vulkanausbrüche beeinflusst, kombiniert mit menschengemachten Faktoren wie der Abholzung der Wälder.
Die Entwaldung in Brasilien hat den Monsunstrom des Amazonas erheblich verändert, die Niederschlagsmenge um 50 Prozent reduziert und die landwirtschaftliche Produktivität beeinträchtigt, sagt Hackett. Er prognostiziert, dass wir nach mehr als 400 Jahren in eine zunehmend instabile Wetterperiode eintreten, die die zukünftige Produktion und die Preise im Agrarsektor beeinflussen könnte. In den kommenden Jahren könnte es aufgrund vorhergesagter Wettermuster zu erheblichen Preisschwankungen kommen, insbesondere bei wichtigen Rohstoffen wie Getreide, Kaffee und Orangensaft.
Fast ein Drittel des weltweiten Kaffeekonsums entfällt auf EU
Um die Auswirkungen vergangener Abholzungen zu begrenzen, die Produktionsvorhersehbarkeit zu verbessern und die zukünftige Kaffeeproduktion zu sichern, sei die Einführung der Agroforstwirtschaft entscheidend, so Coffee Watch. Kaffeepflanzen sind eigentlich Waldpflanzen, daher sollte die gesamte Monokultur in schattige Kaffeeplantagen unter Baumkronen umgewandelt werden. „Auch wenn agroforstwirtschaftlicher Kaffee Niederschläge und Wälder nicht vollständig stabilisieren kann, funktioniert er deutlich besser als Monokulturen“, betonen die Aktivisten.
Laut Daten der Europäischen Kommission entfällt fast ein Drittel des weltweiten Kaffeekonsums auf die EU. Im Jahr 2023 importierte die Union 2,7 Millionen Tonnen Kaffee aus Nicht-EU-Ländern im Wert von 10,6 Milliarden Euro. Ein Bericht der französischen Regierung aus dem vergangenen Jahr besagt, dass die EU als weltweit größte Kaffeeimporteur für 44 Prozent der mit Kaffee verbundenen Abholzung verantwortlich ist.
EU unterstützt nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken
Die Union versucht, dieses Problem mit der EUDR-Verordnung zu lösen, die von EU-Importeuren den Nachweis verlangt, dass ihre Produkte nicht zur Abholzung beigetragen haben. Außerdem sollen sie nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken fördern und die Rückverfolgbarkeit der Herkunft der Kaffeebohnen gewährleisten (mithilfe mobiler Anwendungen und digitaler Werkzeuge werden geografische Koordinaten der Anbauflächen erfasst). Unternehmen, die die EUDR-Vorschriften nicht einhalten, riskieren Geldstrafen in Höhe von bis zu vier Prozent ihres Kaffeeumsatzes und könnten sogar vom EU-Markt ausgeschlossen werden.
Die EUDR sollte bereits Ende letzten Jahres in Kraft treten, doch große Kaffeemarken (Lavazza, Illy, JDE Peet’s, Nestlé und Starbucks) erreichten zusammen mit anderen multinationalen Industrieverbänden, dass die Gesetzgebung erst ab dem 30. Dezember 2025 für große und mittlere Unternehmen und ab dem 30. Juni 2026 für Mikro- und Kleinunternehmen gilt.
EUDR-Gesetz: Lieferketten sollen rückverfolgt werden
Für Brasilien, ein Land, das stark vom Agrarhandel abhängt, stehen hohe Einsätze auf dem Spiel. Die EU ist nach China Brasiliens zweitgrößter Handelspartner (92 Milliarden Dollar Warenhandel im Jahr 2023) und macht 18 Prozent des gesamten brasilianischen Exports aus. Laut der brasilianischen Konföderation für Landwirtschaft und Viehzucht entfallen 30 Prozent des Werts der brasilianischen Exporte in den von der EUDR erfassten Sektoren auf die EU. Dabei handelt es sich um Güter, die für die brasilianische Exportwirtschaft von zentraler Bedeutung sind, darunter Kaffee, Kakao, Soja, Rindfleisch, Palmöl, Gummi und Holzprodukte.
Mehr als 60 Prozent der Kaffeeproduktion Brasiliens werden exportiert, davon über 50 Prozent in die EU. Im Jahr 2022 betrug der Wert der Kaffeeexporte in die EU 4,3 Milliarden Dollar, während der Export aller von der EUDR erfassten Produkte insgesamt 17,5 Milliarden Dollar ausmachte.
Viele Kaffeebauern in Brasilien haben bereits umfassende Rückverfolgbarkeitssysteme und nachhaltige Anbaumethoden eingeführt. Dennoch gibt es weiterhin Herausforderungen bei der vollständigen Rückverfolgbarkeit in komplexen Lieferketten. Das US-amerikanische Online-Medium Farmdoc Daily berichtete im Juli letzten Jahres, dass „der Brasilianische Rat der Kaffeeexporteure eine Plattform testet, die Fernerkundungsdaten und die Standorte der Produzenten erfasst und derzeit etwa 94 Prozent der Erzeuger abdeckt, die in die EU exportieren.“
Überschwemmungen und Abholzungen bedrohen Kaffeeanbau-Gebiete in Brasilien
Obwohl Brasilien Maßnahmen zur Bekämpfung der Abholzung ergreift und sich das Ziel gesetzt hat, die illegale Abholzung bis 2030 zu beenden, schreitet die Entwaldung weiterhin intensiv voran – insbesondere für neue Weideflächen und Viehzuchtbetriebe.
Im vergangenen Jahr wurden im Pantanal, dem größten tropischen Feuchtgebiet der Welt, das zur Bodenbewahrung und Klimastabilität beiträgt, rund 50.000 Hektar Wald gerodet – ein Anstieg um 59 Prozent im Vergleich zu 2022.
Die Folgen der Abholzung durch die Viehzucht sehen wir jeden Tag. Im Mai letzten Jahres gab es katastrophale Überschwemmungen in Rio Grande do Sul, und in den Jahren 2023 und 2024 erlebte das Amazonasgebiet die schlimmste Dürre der letzten 45 Jahre“, sagte Cristiane Mazetti von Greenpeace Brasilien.
Vietnamesische Kaffeeproduktion wegen Dürre 2023–2024 drastisch gesunken
In Vietnam, dem zweitgrößten Kaffeeproduzenten der Welt, ist Kaffee die Lebensgrundlage für rund 600.000 Kleinbauern. Die Regierung hat einen nationalen Plan zur Angleichung an die EUDR verabschiedet, und Farmonaut, ein indischer Anbieter von Satellitenüberwachungsdiensten für den Pflanzenanbau, berichtet über eine zunehmende Anwendung klimafreundlicher landwirtschaftlicher Praktiken in der vietnamesischen Kaffeeindustrie.
Dennoch ist die vietnamesische Kaffeeproduktion in der Saison 2023–2024 aufgrund der Dürre im vergangenen Jahr um drastische 20 Prozent gesunken. Im Herbst folgte der Taifun Yagi, der viele Kaffeeanbaugebiete verwüstete und eine große Zahl von Kaffeepflanzen zerstörte. Vietnamesische Produzenten befürchten, dass der Klimawandel ihre landwirtschaftlichen Nutzflächen erheblich verringern könnte. Laut ABC Australia erklärte An Nguyen, Direktor von Helena Coffee, einem Unternehmen für Kaffeeaufbereitung und -export im zentralen vietnamesischen Hochland, dass die Anbaufläche für Robusta-Kaffee bis 2050 infolge des Klimawandels um bis zu 50 Prozent schrumpfen könnte.
Vier Millionen Kleinbauern produzieren den Großteil des äthiopischen Kaffees
Äthiopien verdient mehr als ein Drittel seiner Einnahmen durch Kaffeeexporte. Der größte Teil, etwa 30 Prozent des Exports, geht in die EU. Der Großteil des Kaffees wird in bewaldeten Gebieten angebaut, in denen die Bäume den richtigen Schatten für das Wachstum bieten. Dennoch werden in einigen Regionen neue Flächen für den Anbau dieser immergrünen Pflanze durch das Abholzen von Primärwäldern erschlossen.
Mehr als vier Millionen Kleinbauern produzieren den Großteil des äthiopischen Kaffees. Aufgrund dieser Zersplitterung ist es besonders schwierig, den Kaffee bis auf die Ebene der einzelnen Produzenten zurückzuverfolgen und sicherzustellen, dass er nicht aus abgeholzten Wäldern stammt. Eine einzelne Kaffeelieferung kann Bohnen von Tausenden von Bauern enthalten, und die Lieferketten beinhalten oft mehrere Vermittler. Kleinbauern (und Vermittler) sind in der Regel arm, oft Analphabeten und verfügen weder über das Fachwissen noch die Mittel, um komplexe Daten zu sammeln, die die Einhaltung der EUDR nachweisen, „ein Gesetz, das nicht einmal die Europäer verstehen.“
Bei Fairtrade, einer der größten Organisationen für fairen Handel, sorgt man sich, dass Organisationen und Kooperativen von Kaffeeproduzenten vom EU-Markt abgeschnitten werden oder von größeren Produzenten aus den Lieferketten verdrängt werden – nicht weil sie auf abgeholzten Wäldern anbauen, sondern weil sie die bürokratischen Anforderungen für die Sammlung, Verwaltung und den Versand von Daten zur Einhaltung der EUDR nicht bewältigen können.
Die äthiopische Kaffeekooperativenvereinigung Oromia berichtete bereits 2023 über einen Rückgang des Handels mit Europa aufgrund der EUDR. „Die Röstereien wandern zu den großen brasilianischen Produzenten“, sagten sie.
Kosten und Verpflichtungen gehen oft zulasten von Kleinbauern
„Obwohl die EUDR theoretisch gut gemeint und vielversprechend ist, könnte sie in der Praxis weniger integrierten Kaffeesektoren schaden. Es ist viel günstiger und weniger riskant, Kaffee von großen Farmen zu beziehen, als sich mit den grundlegenden Ursachen der Abholzung auseinanderzusetzen“, sagten Vertreter der deutschen Rösterei Dallmayr, die jedes Jahr einen Prozentsatz des weltweiten Kaffeevorrats kauft.
Analysten warnen vor dem Risiko, dass trotz der klaren rechtlichen Verantwortung für die Einhaltung, die für Händler, Röstereien und Einzelhändler in der EU gilt, die Kosten, Verpflichtungen und administrativen Lasten auf die Kleinbauern abgewälzt werden könnten, wenn diese den Zugang zum europäischen Kaffeemarkt aufrechterhalten wollen, so die niederländische Stiftung für nachhaltige Landwirtschaft, Traide.
Einige größere Unternehmen haben bereits angekündigt, Rohstoffe, die sie nicht zuverlässig rückverfolgen können, auf Märkte außerhalb der EU umzuleiten. Zwei der größten Kaffeetrader der Welt, Sucafina und Louis Dreyfus, haben bereits Ende 2023 in ihre zukünftigen Verkaufsverträge eine EUDR-Prämie aufgenommen.
Rekord-Kaffeepreise auch in diesem Jahr – Röstereien könnten Preise um 10 Prozent anheben
Das anhaltende Preiswachstum für Kaffee setzt sich auch in diesem Jahr fort. Ende Januar erreichten die Terminkontrakte für Arabica an der ICE-Börse ein neues Rekordhoch. Händler berichten, dass die Bestände aufgrund der schweren Dürre in Brasilien im vergangenen Jahr äußerst begrenzt bleiben. Das Angebot ist deutlich schneller zurückgegangen als die Nachfrage, sagte einer der größten globalen Kaffeehändler, Volcafe, gegenüber Reuters.
Mit dem Auslaufen langfristiger Verträge mit Einzelhändlern setzte zu Jahresbeginn eine Preisspirale ein, da die besten brasilianischen Röstereien auf dem heimischen Markt bereits ihre Preise erhöht haben. Europäische Händler prognostizieren, dass auch einige große europäische Röstereien ihre Preise um etwa 10 Prozent anheben werden. Verbraucher müssen sich darauf einstellen, dass die höheren Preise bis Ende März in den Geschäften ankommen.
Die EUDR könnte dazu führen, dass der europäische Markt für viele der weltweit 25 Millionen Kleinbauern unzugänglich wird. Andererseits könnte das Gesetz Regierungen zwingen, die Transparenz in der Lieferkette zu verbessern und den Landwirten fairere Preise zu sichern, sagt Peter Dupont von der renommierten dänischen Spezialitätenrösterei Coffee Collective. „Artikel 50 im einleitenden Kapitel der EUDR besagt, dass Kaffeebauern, insbesondere Kleinbauern, höhere Preise gezahlt werden müssen. Dieser Punkt wird oft übersehen, ist aber entscheidend“, so Dupont.