Die Mehrwertsteuersenkung wird heiß diskutiert. Das ist auch nicht weiter verwunderlich. Dieses Vorhaben kam für die meisten wie aus dem Nichts. Entsprechend gibt es auch verständliche Kritik an dem Umstand, dass das ganze recht schnell bis Juli umgesetzt werden soll und dann nur temporär für ein halbes Jahr gilt. So machen Kunden mag es freuen, auch wenn bereits der Verdacht aufkommt, dass die Senkung der Mehrwertsteuer nicht beim Konsumenten ankommt. Doch: Was sagen eigentlich die Händler?
Viel Aufwand für ein halbes Jahr
Gleich zu Beginn hörte man viele Händler über den ungeheuren Aufwand schimpfen. Dabei geht es nicht nur um den Aufwand, der im Online-Shop anfällt: „Meine Steuererklärung 2020 wird zeitaufwendiger, die Rechnungen müssen geändert werden und alle Verpflichtungen wie Leasing, Telefon und sonstige Zahlungen die der MwSt unterliegen, müssen angepasst werden.“ Hingegen berichtet ein anderer Händler: „Bei uns nur zwei Klicks und dann ist alles erledigt.“
Mit wie viel Aufwand die Änderung des Mehrwertsteuersatzes im Shop einher geht, ist offenbar von Fall zu Fall sehr unterschiedlich. Schon fast höhnisch scheint da die Idee mancher zu klingen, die meinen, man müsse den Online-Handel von der Steuersenkung komplett ausklammern. Schließlich sei hier die Umstellung mit weniger Aufwand verbunden als im stationären Handel, wo jeder Artikel umetikettiert werden müsse. Die Idee ist, dass der Online-Handel nicht von der Senkung profitieren soll, da die Umsetzung leichter fiele.
Den Online-Handel ausklammern
Auch Rossmann-Chef Raoul Roßmann ist der Meinung, dass der Online-Handel nicht berücksichtigt werden sollte: „Der Online-Handel müsste dabei generell ausgeklammert werden“, heißt es von ihm. Schließlich gehöre er nicht zu den von der Krise betroffenen Branchen.
Unsere kleine Facebook-Umfrage hat ergeben, dass gut 52 Prozent der bisher über 100 Teilnehmer finden: Es ist okay, den Online-Handel von der Steuersenkung auszuklammern.
„Ja, bitte. Ich hab nur Arbeit damit und bringt rein gar nix außer Zeit und Kosten“, begründet eine Händlerin ihre Entscheidung und ist damit nicht allein.
Abmahnungen kommen
Da es nach aktuellem Wissensstand keine Übergangsfrist geben wird, scheint der neue Steuersatz Schlag 0 Uhr zu gelten. Nun treibt Händler natürlich die Sorge um, dass die Abmahnanwälte und -vereine sich bereits eine Minute nach Mitternacht auf die Suche nach Shops machen, die das ganze noch nicht so schnell umgesetzt haben: „Die Abzockanwälte stehen doch schon wieder auf der Matte und diese korrupten Politiker kassieren bei jeder Abmahnung feste die Mehrwertsteuer mit.“
Ob der falsche Mehrwertsteuersatz abmahnbar ist, kann jedenfalls nicht eindeutig beantwortet werden. Fraglich ist hier, ob der Händler, der den zu hohen Steuersatz im Shop eingepflegt hat, einen Wettbewerbsvorteil hat. Hier kann sowohl in die eine als auch in die andere Richtung argumentiert werden. Gut hören lässt sich jedenfalls die Meinung, dass der Händler, der den alten Steuersatz stehen lässt, eher einen Nachteil hat: Zum einen könnte der falsche Steuersatz Kunden vergraulen, zum anderen muss er die zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer auch so ans Finanzamt abführen.
Allerdings ist nicht auszuschließen, dass Abmahner nicht doch ihr Glück versuchen um mit der Verunsicherung der Händler Kosten zu generieren.
Bessere Ideen
Die Händler schimpfen allerdings nicht ausschließlich, sondern haben auch Ideen: „Statt einer sporadischen Senkung irgendwelcher Steuern, wäre eine Vereinfachung des Steuersystems und eine generelle Senkung der Unternehmenssteuern der richtige Weg. Zudem sollte überlegt werden, ob nicht zum Beispiel auch die Größe von Unternehmen eine Basis der Steuerberechnung sein sollte. Multinationale Großkonzerne zahlen ohnehin kaum Steuern in den Ländern der Leistungserbringung. Hier sollte im Sinne der Steuergerechtigkeit eine reale Angleichung der Besteuerung vorgenommen werden.”
Die Vorschläge reichen von staatlichen Gutscheinen in Höhe von 250 Euro für jede Person bis hin zu günstigeren Angeboten im ÖPNV.
Insgesamt wird den Politikern wie so oft vorgeworfen, an der Realität vorbei zu entscheiden. „Ich wäre für jährliche Praktika für unsere Politiker, dass sie ein Gefühl für die echte Welt bekommen“, heißt daher der abschließende Vorschlag eines Lesers.