Raus aus der Routine und der Gewohnheit
Warum Präsentationen mit Überraschungen und Unerwartetem punkten
Routinen bestimmen unser Leben. Das beginnt schon beim Aufbrühen des Morgenkaffees, geht weiter bei der Entscheidung, welchen Weg wir zur Arbeit nehmen und endet noch lange nicht beim Zähneputzen vor dem Schlafengehen. Der Mensch mag alles, was ihm vertraut erscheint. Doch wenn es um Präsentationen beim Verkauf, Vortrag oder im Meeting geht, braucht das Gehirn auch Überraschungsmomente – am besten gekoppelt mit Emotionen. Denn nur dann ist ein Impuls, ein Reiz oder eine Information wertvoll genug, um wahrgenommen und gespeichert zu werden.
Mehr als 80 Prozent unserer Tätigkeiten erledigen wir automatisch, ohne darüber nachzudenken. Unser Gehirn strebt danach, alles in Routine zu verwandeln. Denn: Denken ist aufwendig. Routinen helfen dem Gehirn, Energie zu sparen und Risiken zu minimieren. Das ist neurobiologisch sinnvoll, ja sogar überlebenswichtig. Zusätzlich belohnt uns das Gehirn bei Gewohnheiten mit hirneigenen Opioiden. Davon werden wir regelrecht abhängig – daher wird es im Laufe des Lebens immer mühevoller, eine Gewohnheit zu ändern.
Genauso lieben Menschen das Vertraute. Das war in der Steinzeit so, und ist bei urbanen Kosmopoliten im 21. Jahrhundert nicht anders. Hauptsache: Alles ist sicher, alles geprüft, alles unter Kontrolle. Unser Gehirn macht ununterbrochen Vorhersagen, wie unsere Umwelt aussehen sollte und was als nächstes wohl passieren mag. Das hilft ganz entscheidend dabei, uns mit möglichst wenig Aufwand erfolgreich durch die Welt zu bewegen.
Doch um eine erfolgreiche Präsentation zu gestalten, sind Routinen und Vertrautes genau das falsche Mittel. Um die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen, müssen die so genannten Salienzdetektoren anspringen. Das sind Gehirnregionen, die in ständigen Rückkoppelungen bewerten, wie bedeutsam ein Sinnesreiz ist. Heißt das Ergebnis: „Relevant!“, sorgen sie dafür, dass man genau hinschaut.
Mit diesen fünf Tipps gelingt das Ihnen:
Erstens: Nur Emotionales hat Wert
Emotionen spielen eine zentrale Rolle. Experten gehen davon aus, dass 95 Prozent aller Entscheidungen von Gefühlen bestimmt werden. Für unser Gehirn ist alles, was keine Emotionen auslöst, wertlos. Die Neurobiologie hat eindeutige Belege geliefert, dass Menschen nicht vordergründig vernunftgesteuert sind. Ohne die Beteiligung von Emotionen treffen wir keine Entscheidungen, gelingt keine Zusammenarbeit, funktioniert keine Führung, gelingt keine Präsentation.
Für Sie als Referent heißt das: Präsentieren Sie gerade trockene Botschaften und spröde Inhalte deutlich emotionaler. Wer Emotionen wecken will, muss sie selbst zeigen. Das gelingt mit persönlichen Anekdoten und spannenden Geschichten. Unser Gehirn ist ein Erlebnisspeicher, kein Datenfresser. Sorgen Sie dafür, Ihre Produkte und Dienstleistungen mit Geschichten zu bewerben. Das menschliche Gehirn speichert Informationen und Ereignisse in Form von Storytelling. Und wer seine Präsentation mit bildhaften Elementen versieht, trifft direkt in das Herz der Zuhörer.
Zweitens: Groß, größer, das XXL-Phänomen
Warum man bei Bildern bislang auf unterschiedliche Größen unterschiedlich reagiert, galt bislang als offensichtlich: Sieht man ein wildes Tier, ein wütendes Gesicht oder auch etwas sexuell Anregendes sehr groß vor sich, ist es im Allgemeinen bereits recht nah. In solchen Fällen ist dann meist eine schnelle, heftige Reaktion angebracht.
Buchstaben hingegen sind eigentlich nichts anderes als abstrakte Linien, denen das Gehirn erst Bedeutung verleihen muss, bevor sie irgendwelche emotionalen Reaktionen hervorrufen können. Weil ihnen die unmittelbare, biologische Bedeutung fehlt, wurde in psychologischen Studien nicht erwartetet, dass die Größe der Buchstaben die Gefühlsebene beeinflussen würde. Doch die Ergebnisse von Untersuchen zeigen: Zwar muss das Gehirn einen zusätzlichen Schritt beim Interpretieren von Buchstaben machen. Doch die Reaktionen sind bemerkenswert ähnlich wie bei Bildern. Große Buchstaben rufen längere und intensivere Reaktionen des Gehirns hervor als kleiner. Dabei handelt es sich nicht um ein reines Aufmerksamkeitsphänomen. Vielmehr sind es tatsächlich emotionale Reaktionen, die sich durch die Schriftgröße verstärken lassen.
In Präsentationen gilt daher: Meiden Sie die Standardschriften (zum Beispiel Arial, Helvetica etc.), die Ihnen Ihr Rechner anbietet. Das Publikum kennt sie seit langem – und übersieht sie. Neuere und auch eher seltener verwendete Schriftarten erregen dagegen Aufmerksamkeit und animieren zum Lesen. Spielen Sie mit Schriftenfonts.
Denken Sie an Billboards, die gigantischen Werbewände in den USA, oder an die BILD-Zeitung. Die Fähigkeit großer Buchstaben, Emotionen zu verstärken, sind einer der Gründe, warum vor allem Boulevardzeitungen gerne auf überdimensionale Überschriften setzen. Das zeigt auch, wie wichtig heutzutage geschriebene Sprache als Werkzeug ist, um Gefühle zu vermitteln. Also gestalten Sie Ihre Präsentationsfolien entsprechend. Zu einem ästhetischen Schriftbild trägt auch der Zeilenabstand bei. Mit unterschiedlichen Abständen beispielsweise zwischen Aufzählungen und Textblöcken können Sie dafür sorgen, dass Texte auf Präsentationsfolien leichter wahrgenommen und zugeordnet werden. Portionieren Sie die Inhalte auf maximal drei Zeilen.
Drittens: Ein außergewöhnlicher Einstieg ist Trumpf
Von Heinz Goldmann, dem Gründer des berühmten Club 55 – der internationalen Fachvereinigung von hochkarätigen Experten aus den Bereichen Marketing, Verkauf und Management – stammt folgendes Beispiel: „Der Aktionskünstler Christo erregt mit seinen Verpackungen immer wieder weltweit Aufsehen. Der Zweck seiner Übungen: einen neuen, anderen Blick auf Bekanntes zu gewinnen. Daran sollten wir unsere Überlegungen heute ausrichten – die Dinge einmal mit anderen Augen, aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.“
Je außergewöhnlicher Ihr Einstieg ist, desto mehr müssen Sie darauf achten, dass der inhaltliche Bezug zu Ihrer Präsentation einsichtig ist. Ihr Einfall darf nicht aufgesetzt, verrückt oder unpassend erscheinen. Sonst würde Ihre Präsentation mehr verlieren, als sie gewinnt. Ein ungewöhnlicher Einstieg, der wirklich ankommt, will überlegt sein. Sammeln Sie laufend Ideen. Kurz vor der Präsentation fällt Ihnen nichts Gescheites mehr ein. Machen Sie sich klar: Den Allround-Redebeginn für alle Fälle gibt es nicht. So, wie jeder Roman oder Zeitungsartikel anders beginnt, soll auch jede Rede und jede Präsentation individuell beginnen. Ein Profi bereitet deswegen mehrere Einleitungen vor, um in der gegebenen Situation auf die beste zurückgreifen zu können.
Viertens: Spannung ist die beste Einladung
Der berühmte Regisseur Alfred Hitchcock hat Spannung einmal so beschrieben: „Wenn eine versteckte Bombe unter einem Tisch, an dem mehrere Leute frühstücken, plötzlich explodiert, ist dies ein Schreck und unterhält 20 Sekunden lang. Wenn der Zuschauer die Lunte jedoch lange brennen sieht und die Figuren nichts davon ahnen, fesselt das fünf oder zehn Minuten.“
Was in fast allen guten Filmen erfolgreich funktioniert, ist auch das beste Rezept, eine Präsentation spannend – und damit emotional – zu gestalten. Wenn Sie eine visuelle Darstellung, eine besondere Information oder einen Besuch ankündigen, dann erzeugen Sie dadurch Spannung, indem Sie nicht zu viel und nicht zu wenig sagen. Nur ganz allgemein eine Überraschung anzukündigen, ist zu wenig. Erzählen Sie Ihren Zuhörern beispielsweise, dass um 16 Uhr das Mitglied des Vorstands, Herr Dr. Macht kommt, haben Sie zu viel preisgegeben. Solch eine Ankündigung ist nicht spannend. Wenn Sie jedoch sagen: „Meine Damen und Herren, ich freue mich, Ihnen jetzt schon verraten zu dürfen, dass wir zu unserer Abschlusspräsentation noch einen Gast erwarten. Es handelt sich um eine Person, die jeder der Anwesenden kennt und schätzt. Sie wird uns als Gastgeschenk etwas mitbringen, das jeden von uns herzlich amüsieren wird“, dann ist das viel interessanter. Eine solche Ankündigung erzeugt Spannung. Jeder wird sich jetzt fragen: Wer wird das sein? Wer kommt infrage? Und: Was bringt er mit?
Fünftens: Die Gier zu entdecken
Als Mutter der Entdeckungen ist Neugierde der Anfang jeder Bewegung. Wir versuchen jedes Geheimnis zu lösen, und gleichzeitig langweilt uns alles Geheimnislose. Wir lauschen wie Sherlock Holmes, wenn uns jemand nicht alles erzählt, und wir gähnen, wenn jemand mehr sagt, als wir wissen wollten. „Die Neugier ist die Fresslust der Sinne“, so hat es der deutscher Aphoristiker Ernst Hauschkaeinmal formuliert.
Wenn Sie beispielweise ein Schaufenster zukleben und nur ein kleines Loch freilassen, wird ein großer Teil genau da hindurchblicken, obwohl er am offenen Schaufenster desinteressiert vorübergegangen wäre. Deshalb ist es falsch, zum Beispiel zu sagen: „Mit unserem Produkt werden Sie die Energiekosten um zehn Prozent senken!“ So provoziert man nur Widerspruch und verursacht im schlimmsten Fall Misstrauen. Mit Plattheit, Aufdringlichkeit, Plumpheit oder über Hardselling-Methoden ist schnell mehr kaputt gemacht, als gewonnen werden sollte.
Indem Sie Neugierde langsam aufbauen und Ihre Zuhörer in eine Geschichte hineinziehen, arbeiten Sie subtiler und emotionaler. Denn jede Geschichte erzeugt Bilder und jedes Bild erzeugt Emotionen. Aber die Geschichte muss in Beziehung zu Ihrem Präsentationsziel stehen. Unterbrechen Sie Ihre Geschichte und erzählen Sie den zweiten Teil in der Mitte der Präsentation und die Pointe am Schluss. Das Gehirn wird durch Fakten, Zahlen und Fachbegriffe übermäßig strapaziert. Durch Bilder, Geschichten und Emotionen wird es dagegen zu höchster Aufmerksamkeit gereizt.
Über den Autor
Uwe-Jürgen Günter-von Pritzbuer ist Visualisierungsexperte und Vertriebsprofi für emotionale Kommunikation. Er kreiert maßgeschneiderte emotionale Präsentationen für Trainer, Speaker und Manager und überarbeitet bereits bestehende Präsentationen. Daneben bietet er auch Präsentationscoaching an. Er hat sich seit mehr als 25 Jahren auf die Bereiche Verkauf und Führung spezialisiert. Uwe-Jürgen Günter-von Pritzbuer ist der Autor von „Nur vom Feinsten“, dem Fachbuch für den Premiumverkauf.