„Zwischen Aufschwung und Stillstand“

Der aktuelle Neuwirth Finance Zins-Kommentar

nur ca. eine Woche nach der Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) die Zinsen nicht zu verändern und den Kurs einer ultralockeren Geldpolitik fortzuführen, veröffentlichte das Statistikamt Eurostat vorläufige Quartalsdaten der Währungsunion und bestätigte den Aufwärtstrend der letzten Monate. Erfahren Sie in der heutigen Ausgabe des Zinskommentars, weshalb die EZB trotz vielversprechender Wirtschaftsdaten von der derzeitigen Zinspolitik nicht abrückt.

 

Markt-Monitoring und Ausblick

Kurzfristiger Zins: Der 3-Monats-Euribor bleibt nahezu unverändert und steht nach wie vor bei – 0,331%. Ein leichtes Abfallen in Richtung -0,4 % halten wir nach wie vor für sehr wahrscheinlich. Dies ist der aktuelle Stand der Einlagenfazilität der EZB.

Langfristiger Zins: Der 10jährige SWAP-Satz steigt wieder leicht und liegt derzeit bei 0,73 %. Wir erwarten weiterhin niedrige SWAP-Sätze zwischen 0,20% – 1,00%.

 

Zwischen Aufschwung und Stillstand

 

Zunächst bestätigte EZB-Präsident Mario Draghi in der Pressekonferenz am 27. April, dass alle Leitzinssätze unverändert bleiben. Somit stagniert der Hauptrefinanzierungssatz bei Null Prozent und die Einlagefazilität bei minus 0,4 Prozent. Der Spitzenrefinanzierungssatz schließt mit 0,25 das zinspolitische Repertoire ab. Ebenso werden die monatlichen Anleihekäufe von 60 Milliarden Euro bis Dezember 2017 fortgeführt und wenn nötig über diesen Horizont verlängert. Die EZB sieht einerseits die günstigen Finanzierungsbedingungen als einen der Gründe für die positive Preisentwicklung in der Eurozone und erachtet sie andererseits als unbedingt notwendig, um das Inflationsziel von knapp 2 Prozent zu erreichen. Insbesondere die Volatilität in der Preisentwicklung und die immer noch nötige Stützung der Inflation führt die EZB als einer der Hauptgründe auf, nicht von dem derzeitigen Kurs abzurücken. Sollte sich wieder ein Abwärtstrend bemerkbar machen „stehen wir (EZB) bereit, das Anleihekaufprogramm jederzeit in Länge und Volumen zu verlängern“.


Quelle: Eurostat; eigene Darstellung

 

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Die Zentralbank sieht den Aufschwung und hält sich nichtsdestotrotz alle Türen offen. Im März 2017 sank die Arbeitslosenquote der Eurozone auf 9,5 und markierte so den tiefsten Stand seit April 2009. Dennoch ist immer wieder eine große Heterogenität der Euroländer zu beobachten. So herrscht in Deutschland mit 3,9 Prozent gewissermaßen Vollbeschäftigung, wohingegen in Spanien fast jeder fünfte ohne Arbeitsplatz leben muss. Besorgniserregend sind außerdem die Jugendarbeitslosenquoten in Griechenland (48 Prozent) und Spanien (40,5 Prozent). Die jährliche Inflation stieg im April auf 1,9 Prozent gegenüber 1,5 Prozent im März (s. Grafik).  Die entscheidendere Kerninflation (ohne alle wichtigen Preise wie Energie, Alkohol, Tabak und Lebensmittel) liegt aktuell bei 1,2 Prozent und damit weit unter dem angestrebten Inflationsziel von leicht unter 2 Prozent. Die Energiepreise sind grundsätzlich volatiler. Die Eurozone konnte im ersten Quartal 2017 das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,5 Prozent steigern und wuchs damit doppelt so stark, wie die Vereinigten Staaten. Folglich beobachtet die Notenbank, dass die „zyklische Erholung der Eurozone weitestgehend solider werde“. Die EZB revidierte die Wachstumsrate für das Jahr 2017 von 1,7 Prozent auf 1,8 Prozent.

Die EZB sieht vor allem strukturelle Reformen als Allheilmittel, um die Widerstandsfähigkeit der Mitgliedsstaaten zu erhöhen, Produktionslücken zu schließen und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Der Aufschwung ist da und Europa zeigt Courage, jedoch ist nicht überall die äquivalente Entwicklung zu verzeichnen, womit die Zentralbank über ökonomisch erstarkende Länder wie Deutschland „hinwegsehen muss“. Die Heterogenität innerhalb der Währungsunion hinsichtlich etlicher ökonomischer Aggregate kann ein ernsthaftes Problem für die effektive Betreibung von Geldpolitik werden. Deutschland wird wohl weiter auf die Nachzügler aus Südeuropa warten müssen.

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