Im Verhandlungs-Poker bestehen

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Verhandlungen – nicht nur im B2B-Bereich – gewinnt meist der Partner, der mit dem klareren Ziel in das Kräftemessen geht und auf die taktischen Spielchen des Gegenübers souverän reagiert. Sieben Tipps von einem erfahrenen Einkaufsleiter für Verkäufer, wie sie ihre Erfolgschancen bei Verhandlungen erhöhen.

Tipp 1: Machen Sie sich das Wesen einer Verhandlung bewusst.

Bei Preis- und Vertragsverhandlungen im B2B-Bereich stehen meist die Verkäufer und die Einkäufer unter einem hohen Erfolgsdruck, denn beide Seiten müssen in der Regel vorgegebene und zuweilen stark voneinander abweichende Verhandlungsziele erreichen. Deshalb ist es nicht unredlich, sondern sogar nötig, Verhandlungen mit dem Vorsatz zu führen: Ich will gewinnen.

Hierfür ist es unabdingbar, sich vorab bewusst zu machen, dass Verhandlungen meist derjenige gewinnt, der beim Verhandeln eine sehr klare Strategie und Zielsetzung verfolgt und am besten vorbereitet ist. Und derjenige verliert, der weder sein Ziel noch seine Verhandlungsstrategie sorgfältig definiert hat. Wirklichkeitsfremd ist die Vorstellung, dass sich in Verhandlungen beide Seiten immer fair verhalten. Es gibt viele Verhandlungskonstellationen, in denen man sich als Verkäufer rasch von einem – meist vorgetäuschten – Win-win-Kuschelkurs verabschieden muss.

Preis- und Vertragsverhandlungen im B2B-Bereich sind meist so komplex und vielseitig, dass man mit einem antrainierten, weitgehend standardisierten Verhalten selten erfolgreich ist. Gefragt sind Persönlichkeiten mit Rückgrat und Erfahrung, die flexibel auf die Situation und den Partner reagieren; Persönlichkeiten zudem, mit sozialer und emotionaler Intelligenz, die strategisch denken und sich taktisch klug verhalten, und bei allem Willen, Erfolg zu haben, auch zur Kooperation bereit und fähig sind. Solche Verhandler entwickeln sich – meist im Verlauf vieler Jahre – durch ein fortwährendes Beobachten und Studieren der Partner sowie ein kritisches Reflektieren des eigenen Verhaltens und der eigenen Wirkung.

Tipp 2: Versetzen Sie sich in die Perspektive des Einkäufers.

Einen Perspektivenwechsel in die Sichtweise des Einkäufers zu vollziehen, kann Wunder bewirken. Mit dem Ausbrechen aus der Ich-Perspektive, unser aller Lieblings-Perspektive, eröffnet sich eine ganz neue Welt kreativer Ideen, um eine gemeinsame Verhandlungsbasis zu schaffen und Verhandlungen zum Erfolg zu führen.

Fühlen sich Einkäufer mit ihren Bedürfnissen sowie als Person wahr- und ernstgenommen und verstanden, dann wollen sie mit dem Partner eine gemeinsame Lösung finden. Das heißt: Die Energien des Verkäufers und des Einkäufers bewegen sich in dieselbe Richtung. Also finden sie auch eher gemeinsam Wege zu einer Lösung, mit der beide Seiten leben können – ohne dass ein Partner seine Verhandlungsziele aus dem Blick verliert.

Tipp 3: Erzeugen Sie das nötige Wertbewusstsein für Ihre Lösung.

Die zentrale Aufgabe des Verkäufers ist es, beim Einkäufer ein Wertbewusstsein für seine Problemlösung zu schaffen. Er muss den Einkäufer mit einer kundenspezifischen Verkaufsargumentation davon überzeugen, dass es für ihn und sein Unternehmen  vorteilhafter ist, das Produkt x oder die Dienstleistung y bei ihm und nicht einem Wettbewerber zu kaufen – selbst wenn der Preis etwas höher ist.

Das gelingt Verkäufern nur, wenn sie das Geschäft des Kunden verstehen und seine aktuelle Marktsituation kennen. Je mehr Kompetenz ein Verkäufer in diesem Bereich beweist und je souveräner er folglich agiert, desto schwerer fällt es dem Einkäufer, auf Preisreduzierungen zu pochen oder den Auftrag an einen Wettbewerber zu vergeben.

Tipp 4: Seien Sie verbindlich, dreschen Sie keine leeren Phrasen.

Wenn es in Verhandlungen knifflig wird, zum Beispiel weil der Einkäufer einen echten Knackpunkt anspricht oder eine Frage stellt, auf die der Verkäufer spontan keine befriedigende Antwort weiß, dann zeigen viele Verkäufer ein Ausweichverhalten. Das heißt, sie sprechen Nebensächlichkeiten an oder dreschen hohle Phrasen. Das „nervt“ die Einkäufer und kann in entscheidenden Verhandlungssituationen zum Verlust des Vertrauens und somit Auftrags führen.

Wenn ein Verkäufer ein solches Ausweichverhalten zeigt, dann schließen Einkäufer hieraus: Dieser Verkäufer – der ja auch sein Unternehmen repräsentiert – ergreift auch die Flucht, wenn es in der konkreten Zusammenarbeit nach Vertragsabschluss Probleme gibt. Das heißt, er und sein Unternehmen werden stets irgendwelche Ausreden haben statt unsere Wünsche und Probleme ernst zu nehmen und sich ihrer anzunehmen. Der Verkäufer lässt uns also allein. Deshalb ist er ist kein attraktiver und verlässlicher Partner.

Tipp 5: Bauen Sie ein Beziehung zum Einkäufer auf – frühzeitig.

Oft versuchen Verkäufer den „bösen“ Einkäufer zu umgehen und suchen stattdessen den Kontakt mit den Fachabteilungen. Dies kann kein Einkäufer tolerieren. Also  wird er alles tun, um den Verkäufer möglichst bald „auflaufen“ zu lassen.

Verkäufer begründen ihr Umgehen des Einkaufs meist mit dem Argument: „Die Einkäufer haben fachlich keine Ahnung“. Dabei sind die Einkäufer heute meist Experten, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung technische Abläufe und Prozesse sehr wohl verstehen. Dasselbe gilt für betriebswirtschaftliche Zusammenhänge.

Suchen Sie als Verkäufer, so früh wie möglich den persönlichen Kontakt zum Einkauf. Und wenn Gespräche mit den Fachabteilungen geführt werden, beispielsweise um den künftigen Bedarf auszuloten, von denen der Einkauf nichts weiß? Dann sollten Verkäufer klugerweise, ihre Gesprächspartner in den Fachabteilungen fragen: „Wer aus dem Einkauf ist dafür zuständig? Gerne möchte ich mich ihr / ihm vorstellen.“ Sonst rächt sich dies bitter, wenn es um die konkrete Auftragsvergabe geht.

Tipp 6: Präsentieren Sie sich und Ihr Unternehmen als möglichen strategischen Partner.

In Vertragsverhandlungen gerade im B2B-Bereich geht es oft darum, eine strategische Partnerschaft zu vereinbaren, also die Weichen für eine langfristige Zusammenarbeit zu stellen. Denn eine solche Partnerschaft hat für beide Seiten Vorteile. So können zum Beispiel aufgrund der stabilen, von Vertrauen geprägten Geschäftsbeziehung effizientere Prozesse vereinbart werden – wie ein Entfallen der Wareneingangsprüfungen, vereinfachte Bemusterungsverfahren oder eine enge Kooperation im Rahmen der Qualitätsvorausplanung (AQP).

Unternehmen, die eine strategische Partnerschaft mit einem Kunden anstreben, müssen nicht nur dessen akuten Bedarf befriedigen können. Sie müssen über eine Reihe weiterer Eigenschaften verfügen, um als Partner attraktiv zu sein – zum Beispiel eine hohe Innovationskraft und -bereitschaft sowie eine große Entwicklungskompetenz und Liquidität. Überzeugen Sie als Verkäufer die Einkäufer davon, dass Ihr Unternehmen über diese Eigenschaften und Kompetenzen verfügt.

 

Tipp 7: Reagieren Sie gelassen und souverän auf taktische Fouls der Einkäufer.

Was ist der Job von Einkäufern? Sie müssen für ihr Unternehmen das bestmögliche Verhandlungsergebnis erzielen. Deshalb ist es normal, dass sie sich – wie Verkäufer – manchmal gewisser Tricks und Kniffe bedienen, um dieses Ziel zu erreichen. Diese mögen Verkäufern zuweilen unfair erschienen. Doch hierüber zu jammern, bringt nichts. Denn dies gehört ebenso zum Verhandeln wie die „taktischen Fouls“ beim Fußball-Spielen. Entsprechend gelassen sollten Sie hierauf reagieren. Hierfür einige Beispiele

  • Einkäufer-Trick: Der Einkäufer pauschalisiert negative Einzelfälle

Verkäufer-Reaktion: nicht hinnehmen und weitere Beispiele verlangen

  • Einkäufer-Trick: Einkäufer betreibt durch ständige Nachforderungen eine Salami-Taktik

Verkäufer-Reaktion: zunächst alle Verhandlungspunkte sammeln und erst dann verhandeln

  • Einkäufer-Trick: Einkäufer versucht beim Verkäufer durch ein Aufbauschen von Nebensächlichkeiten, Bestreiten von Tatsachen, Vortäuschen von Desinteresse oder abfälliges Kopfschütteln Stress zu erzeugen

Verkäufer-Reaktion: gelassen bleiben, über der Situation stehen, ruhig argumentieren, keine Gegenangriffe starten

  • Einkäufer-Trick: Einkäufer versucht den Verkäufer einzuschüchtern, indem er ihn zum Beispiel lange warten lässt, ihm einen unbequemen Platz zuweist, ihm nichts zu trinken anbietet, laufend nebenher telefoniert

Verkäufer-Reaktion: mutig und offen, jedoch mit einem Lächeln ansprechen, dass man die Tricks der Gegenseite durchschaut

Verkäufer müssen die „taktischen Fouls“ der Einkäufer kennen und erkennen. Denn nur dann können sie hierauf souverän reagieren. Kann ein Verkäufer dies nicht, wird er vom Einkäufer als schwach und wenig durchsetzungsstark eingestuft – auch im eigenen Unternehmen. Entsprechend behandelt er den Verkäufer fortan. Deshalb sollte eine Maxime bei „unfairen Tricks und Kniffen“ von Einkäufern lauten: Flagge und Selbstbewusstsein zeigen. Denn nur dann werden sie von den Einkäufern als Verhandlungspartner ernst genommen.

Horst Bayer

 

Zum Autor: Horst Bayer ist Senior-Berater und -Trainer bei der auf den B2B-Bereich spezialisierten Vertriebsberatung Peter Schreiber & Partner, Ilsfeld (www.schreiber-training.de). Vor seiner Beratertätigkeit arbeitete der Betriebswirt 30 Jahre in den Bereichen Einkauf, Logistik und Materialwirtschaft für Fertigungs- und Investitionsgüterindustrie. Zuletzt war er Leiter Einkauf und Logistik bei einem Automobilindudstrie-Zulieferer.

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