nach der ersten Zinserhöhung seit 10 Jahren in den USA wird über weitere Zinsanhebungen durch die Fed spekuliert. Die objektive Datenlage sollte diese eigentlich im Keime ersticken. Lesen Sie im heutigen Zinskommentar warum seriöse Marktbeobachter derzeit nicht von weiteren Zinsschritten sprechen können.
Markt-Monitoring und Ausblick
Kurzfristiger Zins: Der 3-Monats-Euribor bleibt weiter auf seinem historischen Minus-Niveau und steht aktuell bei -0,14 %.
Langfristiger Zins: Der 10jährige SWAP-Satz (1/4-jährlich tats. Tage/360 vs. 3M-Euribo) liegt derzeit bei 0,77 % und pendelt stetig aber langsam auf die 1%-Marke zu.
Zinserhöhung in den USA: Zwischen Wunschdenken und empirischen Belegen
Der Fed-Vizechef Stanley Fischer ließ in einem Interview verlauten, dass er es als realistisch erachte, dass es im kommenden Jahr zu vier Zinsanhebungen des US-Leitzinses kommen könne. Dabei hat die Fed durch die lange im Voraus angekündigte und mehrfach verschobene Zinsanhebung mehr den Markterwartungen entsprechen müssen, als dass die heiß laufende Wirtschaftsentwicklung sie dazu gezwungen hätte.
Aber sind in der aktuellen Wirtschaftslage weitere Zinsanhebungen gerechtfertigt?
Die kurzfristigen Daten sprechen da eine eindeutige Sprache. Denn sowohl die Auftragseingänge der US-Industrie (-0,20%, November 2015), die Erwerbstätigenquote (Civilian Employment-Population Ratio, +0,10%, Dezember 2015), der Industrieproduktionsindex (-0,40%, November 2015), als auch die nur leicht zurückgehenden Erstanträge für Arbeitslosenhilfe (- 0,01%, Dezember 2015) geben keine euphorischen Signale.
(Quelle: Tai Pan)
Der Zinsschritt kann vielmehr als ein Test der Fed interpretiert werden, welche Auswirkungen eine Zinserhöhung auf die US-Wirtschaft hat. Nach der langen Periode der Niedrigzinsen und der Geldschwemmen ist die Aussagekraft theoretischer Wirtschaftsmodelle in diesem Zusammenhang limitiert.
Neben der Betrachtung des US-amerikanischen Marktes hat der US-Dollar aber auch weltwirtschaftlich einen bestimmenden Einfluss. Und Auswirkungen der Fed-Entscheidungen sind weltweit zu spüren, vor allem in Schwellenländern. Eine Zinserhöhung bewirkt, dass Geldanlagen in den USA attraktiver werden und Investoren Geld verstärkt aus Schwellenländern abziehen, um es in den USA zu investieren. Dies kann das weltweite Wirtschaftswachstum verlangsamen und damit auch den US-Handelspartnern schaden. Globale Risiken spielen also eine Rolle und sind nicht erst seit dem Börsenbeben in China hoch.
Einer der Hauptindikatoren, der für die Zinssteuerung herangezogen werden muss, ist die Inflation. Mit dem im Moment drastischen Verfall des Ölpreise auf unter 30 Dollar pro Barrel werden die Verbraucherpreise mittelfristig sinken (bereits -0,10% in den USA im Dezember). Zudem wird die in den letzten Jahren boomende Industrie der Schiefergasproduktion/Fracking durch den niedrigen Weltmarktpreis ausgehungert, etliche Unternehmen haben Mitarbeiter entlassen und verzichten auf die Erkundung neuer Vorkommen. Ereignisse die die US-Konjunktur negativ beeinflussen und die die Fed nicht außer Acht lassen kann. Eigentlich müsste die Regel gelten: fallende Inflationsrate = fallende Zinsen.
(Quelle: Tai-Pan)
Das abgebildete Chart zeigt die Entwicklung der Zinsen für 10 Jährige Anleihen in den USA (U.S. 10 Year Treasury), die seit dem Jahresbeginn rückläufig waren. Am vergangenen Freitag wurde kurz ein Wert unterhalb von 2,00% erreicht. Daran lässt sich ablesen, dass Investoren fallende Zinsen erwarten. Die langfristigen Markterwartungen decken sich also nicht mit denen des Fed-Vizechefs Fischer.
Rein objektiv passt die aktuelle Datenlage als auch die Markterwartungen nicht zu der Prognose, dass es vier Zinsschritte geben soll. Spekulationen wird es trotzdem weiter geben.
Denn anscheinend steckt Kalkül hinter der Entscheidung. Zum einen will die Fed Hoffnung machen und den Eindruck erwecken, dass sich die wirtschaftliche Lage in den USA entspannt. Heilung durch Vortäuschung quasi. Ein klassischer Placebo-Effekt. Zum anderen erhält sie eine weitere Waffe zurück, um auf die weitere Wirtschaftsschwäche zu reagieren: Die Zinssenkung.
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