Angesichts eines auf noch sehr lange Zeit niedrigen Niveaus des risikolosen Zinses spricht François Collet vom französischen Asset Manager La Française von einem neuen Paradigma an den Rentenmärkten. Profitieren werden davon Anlageklassen mit höherem Risiko.
Die jährliche Inflation lag seit Einführung der Gemeinschaftswährung im Jahr 1999 im Durchschnitt bei 1,94 Prozent. Das entspricht dem Hauptziel der Europäischen Zentralbank (EZB), mit einer angestrebten mittelfristigen Inflationsrate unter, aber nahe zwei Prozent pro Jahr für Preisstabilität zu sorgen.
„Auf den ersten Blick sollten die Mitglieder des EZB-Rates also mit der Erreichten zufrieden sein“, meint dazu François Collet, Portfoliomanager beim französischen Asset Manager La Française. Allerdings sei die jährliche Inflation in der Eurozone seit Oktober 2013 unter einem Prozent geblieben. „Mit 0,4 Prozent ist man zwar über einen Zeitraum von zwölf Monaten bis Ende Oktober 2014 vom historischen Tief bei -0,6 Prozent im Juli 2009 weit entfernt“, so Collet. „Aber es ist das erste Mal, dass die jährliche Inflation über mehr als zwölf aufeinanderfolgende Monate unter einem Prozent geblieben ist.“ Abgesehen vom absoluten Niveau sei es die Zusammensetzung der Inflation, die Beobachter beunruhige. So habe die Kerninflation (d.h. exklusive Energie, Lebensmittel, Steuern u.a.) in 2014 einen Tiefstand von annualisiert 0,15 Prozent erreicht.
Skepsis, ob Preisstabilität um Zwei-Prozent-Marke zu halten sein wird
„Und obwohl also die EZB ihr Ziel über die letzten 15 Jahre erreicht hat, bleibt der Markt skeptisch, ob sie die Preisstabilität um die Zwei-Prozent-Marke halten wird“, erklärt Collet und verweist in diesem Zusammenhang auf den seit 2003 bestehenden Markt für Inflationsswaps. Dieser ermögliche es Anlegern, sich entsprechend den erwarteten Entwicklungen des Verbraucherpreisindex zu positionieren. „Aktuell liegen diese Erwartungen bei gerade einmal 1,6 Prozent nicht vor 2020“, so Collet.
Die Skepsis der Anleger gegenüber der Fähigkeit der EZB, die Inflation zurück auf ihr Zielniveau zu holen, erklärt aus Sicht des Fondsmanagers alle außerordentlichen Maßnahmen, die die EZB in diesem Jahr getroffen hat. „Diese reichen von der erstmaligen Senkung der Zinssätze für täglich fällige Einlagen in den Negativbereich, über die Einführung einer Reihe längerfristiger Refinanzierungsmaßnahmen für den Bankensektor bis hin zur Einführung eines Programms zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen“, so Collet.
Mächtige und nachhaltige deflationäre Tendenzen nicht zu übersehen
Doch trotz all dieser Maßnahmen sei die Inflation seit Anfang des Jahres weiter gefallen. Das liege teilweise daran, dass in einem globalen Wirtschaftraum die Inflation zu einem globalen Phänomen geworden ist. Konkurrenz zwischen verschiedenen Produktionsstandorten bringe ständigen Druck auf die Margen der Hersteller mit sich, was Steigerungen bei Löhnen und Beschaffungskosten stark einschränke, selbst in Ländern wie den USA, wo es kräftige Nachfrage im Arbeitsmarkt gebe. „Daneben gibt es den technischen Fortschritt, der immer wichtiger und vor allem dank der Demokratisierung des Internets immer zugänglicher für alle wird“, erklärt Collet weiter und kommt zu dem Schluss: „Alles in allem sind mächtige und nachhaltige deflationäre Tendenzen nicht zu übersehen.“
Die erste Auswirkung daraus erschließe sich relativ einfach. „Das ist die Unmöglichkeit für die EZB, ihre Geldpolitik auf absehbare Zeit zu normalisieren“, so Collet. „Tatsächlich werden angesichts dieser globalen deflationären Tendenzen und des gedämpften Wachstums in Europa die Zinssätze für täglich fällige Einlagen für sehr viele Jahre nahe null Prozent liegen.“
Zinsen werden mangels Inflationsrisiko anhaltend niedrig bleiben
Langfristige Zinsen spiegeln die erwarteten kurzfristigen Änderungen der Zinssätze wider. „Warum würde sich eine Bank über zehn Jahre zu einem Zinssatz von drei Prozent Geld leihen, wenn sie davon ausgehen kann, dass sie sich jeden Tag bei ihrer Zentralbank zu null Prozent für die nächsten 10 Jahre refinanzieren wird?“, fragt Collet vor diesem Hintergrund. „Entsprechend verstehen wir, warum die Rendite zehnjähriger deutscher Staatsanleihen zum ersten Mal dieses Jahr unter ein Prozent gefallen ist.“ Die Geldpolitik werde mangels Inflationsrisiko anhaltend locker bleiben und die Zinsen anhaltend niedrig.
Die zweite Lehre aus dem Inflationsswapmarkt liege im Blick auf inflationsindexierte Anleihen und deren Zusammensetzung zwischen realen und Breakeven-Zinssätzen. „Wenn man heute sein Geld in der Bank zu einem Zinssatz von null Prozent lässt, kostet es effektiv 0,4 Prozent jährlich, was dem aktuellen Inflationsniveau entspricht“ erklärt Collet. „Betrachten wir die Zinskurve deutscher inflationsindexierter Anleihen, dann zeigt sich, dass die realen Sätze negativ sind, unabhängig vom Anlagezeitraum. Die realen Zinssätze liegen über fünf Jahre bei -0,45 Prozent und über zehn Jahre bei -0,50 Prozent und belegen damit die Tatsache, dass die EZB gezwungen sein wird, für einen sehr langen Zeitraum ihre expansive Geldpolitik beizubehalten.“