Von Rechtsanwalt Michael Malar.
I. Ausgangsituation
Seit den neunziger Jahren haben Finanzdienstleister massenhaft Anteile an geschlossenen Immobilienfonds in Rechtsform einer GbR oder KG vertrieben. Häufig wurde der gezeichnete Fondsanteil durch ein Darlehen finanziert, weil der jeweilige Anleger nicht genügend liquide war oder ihm erläutert wurde, dass die laufenden Gewinne die Finanzierung decken würden und deshalb die Verwendung von vorhandener Liquidität weniger attraktiv sei. Hauptaspekt der Fondsgesellschaft und Gegenstand der Vermittlung bzw. Beratung war üblicherweise die zusätzliche Absicherung der Altersvorsorge sowie der mit dem Abschluss einer Kapitalanlage verbundene Steuervorteil.
Die Finanzdienstleister wurden zum Zwecke der Vermittlung von der Vertriebsgesellschaft zumeist nicht nur mit den Fondsunterlagen, wie beispielsweise Beitrittserklärung und Emissionsprospekt, sondern überdies auch mit den Finanzierungsunterlagen der kreditgebenden Bank ausgestattet. Die Anleger sind daher in aller Regel nicht mit einem Kreditwunsch an die finanzierende Bank herangetreten; vielmehr wurde ihnen der Darlehensvertrag gleichfalls durch den Finanzdienstleister vermittelt. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt bei dieser Konstellation ein verbundenes Geschäft zwischen dem Abschluss des Darlehensvertrages sowie dem Abschluss des Gesellschaftsanteils vor.
Die von den Fondsgesellschaften in den Emissionsprospekten dargestellte Werthaltigkeit der Gesellschaftsanteile hat sich jedoch nicht selten als Trugschluss erwiesen. Viele Fonds fielen in Insolvenz, und es wurden häufig die prognostizierten und versprochenen Mietausschüttungen bereits nach kurzer Zeit mit zum Teil fadenscheinigen Begründungen eingestellt. Für die Anleger hat sich daher die Gefahr realisiert, dass ihr Gesellschaftsanteil wertlos geworden ist und sie dennoch den Darlehensvertrag komplett erfüllen müssen, ohne eine Gegenleistung zu erhalten.
II. Regress der Finanzdienstleister
Vor diesem Hintergrund sehen sich die Finanzdienstleister zunehmend Regressansprüchen der Anleger ausgesetzt. Dem geht regelmäßig voraus, dass die Anleger notleidender Fonds das tun, was sie immer tun: Googeln. Über kurz oder lang stoßen sie so im Internet auf Werbung oder Informationen einer Verbraucherschutzkanzlei oder auf – häufig lancierte – Foren im Zusammenhang mit ihren Fonds, welche mit Ratschlägen und Hoffnungen auf Rückerstattung der geleisteten Einlagen im Wege des Schadenersatzes aufwarten.
Die meisten Schützerkanzleien gehen dabei standardisiert vor, d.h. raten zur klageweisen Inanspruchnahme des Finanzdienstleisters, wenn bei dem Fonds nichts mehr zu holen ist. Alsdann werden die Finanzdienstleister anwaltlich angeschrieben und sollen zahlen. Dabei empören sich die Finanzdienstleister meist zurecht darüber, dass die ihnen vorgehaltenen Vorwürfe der Falschberatung nicht zutreffen, und zwar schon deshalb nicht, weil sie wenig konkret sind. Dies liegt häufig daran, dass Schützerkanzleien vorgefertigte Textbausteine verwenden und Früchte aus angeblichen Parallelentscheidungen ziehen wollen, die für den konkreten Fall als Tatsachenersatz allerdings untauglich sind. Der Finanzdienstleister nimmt Anstoß, es kommt zur Klage und der Schützeranwalt freut sich.
Da die meisten Prozesse vor dem Landgericht geführt werden, wo Anwaltzwang herrscht, entstehen dem Finanzdienstleister zunächst Vorschusskosten für seinen Rechtsanwalt. Nicht selten wird vor Geicht ein Vergleich geschlossen, weil der Finanzdienstleister ein Urteil oder den Gang durch mehrere Instanzen scheut, was teilweise auf fragwürdigen oder politisch anmutenden Prozessverläufen oder -erfahrungen beruht. Ergebnis ist regelmäßig, dass der Finanzdienstleister noch mehr Geld an seinen Rechtsanwalt bezahlt, auf einen Vergleich leisten muss, frustriert ist und seinen Unmut auf seinen Prozessbevollmächtigten projiziert. Letzterer wiederum bemängelt, dass sein Mandant nicht präventiv handelt und immer erst dann zum Rechtsanwalt läuft, wenn das sprichwörtliche Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.
III. Alternativen
Der Finanzdienstleister kann dem vorbeugen – und zwar durch eigenes Produkt-Monitoring und aktives Zugehen auf die Anleger bzw. Kunden. Üblicherweise steckt das Gros der Finanzdienstleister den Kopf angesichts notleidender Fonds in den Sand und hofft, dass der Kelch und die Schützeranwälte an ihnen vorüber ziehen. Dies ist auch insoweit verständlich, wie die Finanzdienstleister selbst keine schlafenden Hunde wecken wollen.
Allerdings zeigt die Erfahrung, dass schlechte Nachrichten in aller Regel nicht ins Chaos führen, wenn man auch Lösungen bzw. Handlungsmöglichkeiten mitbringt. Im Gegensatz dazu bedeutet die Untätigkeit des Finanzdienstleisters, dass er das Feld den Schützeranwälten und deren Initiativen überlässt, was regelmäßig in eine (versuchte) Inanspruchnahme des Finanzdienstleisters mündet. Vor diesem Hintergrund ist pro-aktive Kunden-information auch bei ungünstigen Fonds ebenso angebracht wie allgemeine Bestandspflege, erst recht, wenn ohnehin eine Vermögenshaftpflicht die Befürchtungen mindert.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein Zugehen auf und Aufklären der Kunden Prozesse vermeidet, sachliche Lösungen schaffen kann und im Ergebnis damit das Kundenverhältnis nicht vergiftet wird. Die Sozien wurden in den letzten Jahren häufiger von Finanzdienstleistern beauftragt, in relativ publikumsträchtigen Fällen (z.B. im Bereich der geschlossenen, fremdfinanzierten Immobilienfonds wie Grundbesitz Wohnbaufonds Ortszentrum Bad Kohlgrub GbR, Grundstücks-, Vermögens- und Verwaltungs GbR Fonds 1 – 36 bzw. „WGS-Fonds“, aber auch bei anderen Beteiligungsgesellschaften wie Göttinger Gruppe, ALAG, Juragent PKF I – IV KG etc.) die Kunden über Sinn- und Unsinn rechtlichen Vorgehens, die üblichen Vorhaltungen in Anlegerschutzprozessen und gängige Taktiken bestimmter Anwälte auf Mandantenfang in exklusiven Veranstaltungen aufzuklären. Ergebnis war nicht nur, dass die Anleger einmal von Rechtsanwälten der „anderen“ Seite Informationen und Einblicke erhielten, sondern auch, dass die betroffenen Finanzdienstleister nur in den seltensten Fällen von ihren Kunden verklagt wurden. Mit anderen Worten blieb den Finanzdienstleistern die Realisierung von Hunderttausenden EURO an Haftungspotenzial erspart.
Grundsätzlich bedeutet es eine schmale Gratwanderung, notleidende Fonds früh genug zu erkennen und gleichzeitig nicht den Anleger zu früh zu verunsichern, spätestens jedoch mit ihm Kontakt auszunehmen, bevor es Schützeranwälte tun. Fast bei allen Anlagemodellen im Bereich der kreditfinanzierten Immobilienenfonds gibt es indes Ansatzpunkte, dem Kunden beizuspringen und diese Anlagen auch ohne Inanspruchnahme des Beraters rückabzuwickeln. Es ist aus Sicht des Beraters auch legitim, auf die jeweiligen Möglichkeiten hinzuweisen oder diese begutachten zu lassen. Denn zum einen entledigt er sich drohender Regressansprüche, zum anderen handelt er in Übereinstimmung mit den Interessen seiner Kunden, welchen er einen Ausweg aus der kreditfinanzierten Immobilienfonds-Falle eröffnet. Beiden Seiten kann auf diese Weise das wirtschaftliche Überleben gesichert werden.
Vielfach wissen die Berater nicht, dass die Anleger gegenüber der finanzierenden Bank Ansprüche auf Beendigung des Darlehensvertrages und Rückzahlung der an die finanzierende Bank geleisteten Zins- und Tilgungsleistungen haben. Ferner ist die finanzierende Bank auch verpflichtet, die zur Sicherung des Darlehens abgetretenen Sicherheiten an den Anleger zurück zu übertragen und freizugeben. Im Gegenzug erhält die Bank den mit dem Darlehen finanzierten Gesellschaftsanteil, der jedoch wertlos sein dürfte.
Da die finanzierenden Banken auf ihren Darlehensvertragsformularen oft eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung verwendet haben, können die Anleger ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung auch nach Ablauf von mehreren Jahren widerrufen, da die Ausübung des Widerrufsrechts aufgrund der Fehlerhaftigkeit keiner Frist unterliegt. Voraussetzung für einen wirksamen Widerruf ist jedoch das Vorliegen einer Haustürsituation oder Fernabsatzsituation, wovon in den meisten Fällen aber auszugehen ist. Die von den Banken verwendete Widerrufsbelehrung auf den Darlehensvertragsformularen war zumeist deshalb fehlerhaft, da diese nach der ständigen Rechtsprechung des BGH den unzulässigen Zusatz enthielten, dass der Widerruf als nicht erfolgt gelte, wenn das Darlehen nicht binnen 2 Wochen zurückgezahlt werde.
Ferner können die Anleger der Bank häufig entgegen halten, dass sie von den Gründungsgesellschaftern und Initiatoren des Fonds arglistig getäuscht worden sind. Voraussetzung eines derartigen Anspruchs ist jedoch der Nachweis seitens des Anlegers, dass die Fondsinitiatoren, die Gründungsgesellschafter oder sonstige Prospektverantwortliche durch falsche Angaben im Fondsprospekt den Anleger auch tatsächlich arglistig getäuscht haben. Eine arglistige Täuschung kann zum einen in der im Fondsprospekt dargestellten Sicherheit des Gesellschaftsanteils auf Grund der versprochenen Mieteinnahmen und der erzielbaren Renditen liegen, zum anderen in der fehlerhaften Darstellung des Kostenanteils, wenn dieser höher ist, als in dem Fondsprospekts angegeben. Die Prognoseberechnungen der Fondsgesellschaften basierten überwiegend auf der Absicherung der Mieteinnahmen durch einen Mietgarantiegeber. Uns sind jedoch Fälle bekannt, in denen der Mietgarantiegeber bereits vor Beitritt des Anlegers der Fondsgesellschaft bzw. vor dem Abschluss des Darlehensvertrages Insolvenz angemeldet hat. Nach der Rechtsprechung des BGH muss der Anleger jedoch über diesen Umstand und somit über die nicht vorhandene Werthaltigkeit bzw. der Nachhaltigkeit der prognostizierten Mietrenditen aufgeklärt werden.
Dieses Aufklärungsverschulden der Fondsinitiatoren, Gründungsgesellschafter oder sonstigen Prospektverantwortlichen muss sich die Bank bei Vorliegen eines verbundenen Geschäfts dann zurechnen lassen, wenn sie entweder positive Kenntnis über die falsche Prospektangaben, die auf arglistige Täuschung des Anlegers ausgerichtet waren, hatte oder diese erkennen musste. Da jedoch ein solcher Nachweis der positiven Kenntnis der Bank schwer zu führen ist, hat der Bundesgerichtshof in Fällen des Zusammenwirkens von Fondsinitiatoren und der finanzierenden Bank klargestellt, dass ein derartiger Wissensvorsprung der finanzierenden Bank widerleglich vermutet wird, d.h. dass die Bank Kenntnis von der arglistigen Täuschung durch die Fondsinitiatoren hat, wenn evident grob falsche Angaben im Prospekt enthalten sind. Die finanzierende Bank muss daher den Beweis führen, dass sie die arglistige Täuschung in dem Fonds-prospekt durch die fehlerhaften Prospektangaben nicht erkennen konnte. Den Banken wird es jedoch schwer fallen, diesen Beweis zu führen, zumal viele Banken sich aktiv an dem Fonds durch die Gewährung von Darlehen beteiligt haben und somit Kenntnis von der wirtschaftlichen Tragfähigkeit der Fondsgesellschaft haben mussten.
IV. Fazit
Für Finanzdienstleister, welche notleidende Immobilienfonds – kreditfinanziert oder nicht – an ihre Kunden vermittelt haben, macht es selten Sinn, den Kopf in den Sand zu stecken, da die Passivität oft in die Beauftragung einer Schützerkanzlei und Schadenersatzforderungen mündet. Dabei bestehen oft mannigfaltige Möglichkeiten, den Kunden beizustehen und ihnen bei der Durchsetzung ihrer Interessen behilflich zu sein, anstatt zum Gegner des Kunden zu werden, was in jedem Fall zu Kosten führt. Im Besten Fall fühlt sich der Kunde auch in schwierigen Situationen gut beraten und ist dankbar für eventuell im Interesse des Kunden realisiertes Geld oder die Abwendung weiterer Schäden.
Rechtsanwalt Michael Malar
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Die Rechtsanwälte Blazek Ellerbrock Malar Trube sind vornehmlich auf den Gebieten des Bank- und Kapitalmarktrechts, des Rechts der Finanzdienstleister und des Wirtschaftsstrafrechts bundesweit tätig. Jeder der Sozien verfügt über die Erfahrungen aus mehreren Hundert Verfahren für diverse Kapitalanlageunternehmen und Vertriebe. Die Sozietät hat zwei Standorte: Markdorf und Bielefeld.