Gastkommentar von Michael Hörl
„Die 500 größten Konzerne kontrollierten 1994 ein Viertel des Welt-BIPs, 2005 war es schon ein Drittel“, so Christian Felber von „Attac Österreich“ verschwörerisch .
Was der Globalisierungskritiker nicht sagt: Es sind nie dieselben Firmen (aus denselben Ländern) an der Spitze. Betrachtet man sie aber über die Jahrzehnte, so ist der eine zwar gewachsen, der andere aber nicht – und manch einer verschwunden. An den drei US-Autokonzernen sieht man es gut: General Motors musste sich (nach dem Konkurs) verkleinern, Chrysler wurde von Fiat übernommen. Und Ford ist schlicht und einfach langsamer gewachsen als die Weltwirtschaft. In nur 40 Jahren sind alle drei aus den Top 15 rausgeflogen.
Beobachtet man den Zeitraum von nur 40 Jahren, dann ist eines klar: Die Angst vor der Welt-Herrschaft des Kapitals ist unbegründet. Von den 15 größten Firmen im Jahr 1970 kamen fast alle aus den USA. Nur 20 Jahre später, 1990, waren von den 15 besten aus dem Jahre 1970 schon nur mehr 9 übergeblieben. Weitere 15 Jahre später, 2005, gar nur mehr 5. Und im Jahr 2010 waren von fünfzehn Mega-Konzernen aus dem Jahr 1970 noch ganze drei im Jahr 2010 übergeblieben. Wer die „Fortune 500“-Listen der letzten Jahre unter die Lupe genommen hat, der ahnt, woher die Konzerne der nächsten 20 Jahre kommen werden: Aus China. Und auch Chinas Konzerne werden nicht ewig tonangebend sein. In 40 Jahren werden sie vielleicht von indischen eingeholt worden sein.
Börsenkapitalisierung: Abstieg der Konzerne
Noch deutlicher wird es bei der „Kapitalisierung“. Sie errechnet sich aus der Anzahl ausgegebener Aktien multipliziert mit deren aktuellem Börsenwert und spiegelt damit den momentanen Börsenwert einer Firma wider. Betrachtet man die Börsenstars aus 1980 und vergleicht sie mit denen aus 2010, dann zeigt sich schnell: Einen garantierten Platz auf dem Siegerpodest gibt es im Leben nicht, auch nicht für die Größten dieser Welt.
Die dauernde Veränderung an der Weltspitze verdeutlicht die Entwicklungsstufen aber auch die Moden der jeweiligen Volkswirtschaft. Die 1980er waren von Öl- und Maschinenkonzernen (etwa Autos) dominiert, etwa die Hälfte von ihnen förderte den Schmierstoff der „Old Economy“. In den 1980er Jahren lösten japanische Konzerne US-amerikanische ab – im Jahre 1990 stammten bereits acht Unternehmen aus dem Land der aufgehenden Sonne. Plötzlich waren 1990 auch fünf Bankkonzerne unter den Top 15, und alle fünf kamen aus Japan.
Die Angst der Amerikaner, dass „die Japaner“ in den 90ern Amerika aufkaufen würden, war groß. Und unberechtigt. All die schönen japanischen Autos, die vor laufender Kamera demoliert wurden (teils mit Vorschlaghämmern „Made in Japan“), waren dem Kleingeist umsonst geopfert worden. Oder erinnern Sie sich noch an die „Industrial Bank of Japan“? Oder die „Fuji Bank“, die „Sakura Bank“, die „Sumitomo Mitsui Financial“ und die „Dai-Ichi Kangyo Bank“? Alle fünf notieren heute unter „ferner liefen“.
Nur weitere zehn Jahre später, im Jahr 2000, waren schon vier China-Firmen unter den „Top-15“. Gerade einmal 40% stammen heute noch aus USA, und der Trend geht unaufhörlich weiter in Richtung Schwellenländer. Nach neomarxistischer Lehre (siehe Jean Ziegler) sollten aber gerade die Schwellenländer durch die Verschwörung des (nördlichen) Kapitals am Boden niedergehalten werden. Doch die aufstrebenden Nationen Süd- und Ostasiens, oder Lateinamerikas, kümmern sich nicht um den ihnen prognostizierten Niedergang – sie wachsen mit teils 10 Prozent im Jahr der Nordhalbkugel auf und davon. Ob das den ewigen Pessimisten (des Nordens) passt oder nicht.
Konzerne: Weltverschwörung abgesagt
1867 erschien Karl Marxens erster Band des „Kapitals“. Von den Firmen, die sich am Kurszettel der Londoner Börse 1867 befanden, existiert in dieser Form heute keine mehr. Geschweige denn, dass sie die Welt beherrscht. Dass selbst heute noch ein großer Teil der Deutschen vom Drang des internationalen Kapitals zur Weltherrschaft überzeugt ist (Jeder Zweite schätzt den Kommunisten Marx auch ganz generell) – ist ein Produkt des europäischen Bildungsnotstandes. Wenn Deutschlands Schulbücher zum Thema Wirtschaft nur von Ungerechtigkeit und Ausbeutung wissen, und Millionen Bürger nie in ihrem Leben einen Wirtschaftswissenschafter zu Gesicht bekamen, dann geht ein Land wieder denen auf den Leim, die sich die Welt mit Hilfe einfach strukturierter Komplotte zusammenreimen.
Wenn wir es nicht endlich schaffen, Europas Bevölkerung betriebswirtschaftlich auszubilden, dann haben wir die echten Krisen noch vor uns – den Zenit des Wohlstandes aber hinter uns.
Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Österreich. Vor kurzem erschien sein neuestes Werk „Die Gemeinwohl-Falle“ – eine Antwort auf Globalisierungskritiker wie Christian Felber („Attac Österreich“) und Jean Ziegler.