Am Hauptsitz der S&K-Gruppe in der Kennedyallee 123, deren Chefs Stephan Schäfer und Jonas Köller wegen des Verdacht auf Errichtung eines betrügerischen Schneeballsystems seit Monaten in Untersuchungshaft sitzen, wandelte sich gestern zum Paradies für Schnäppchenjäger. Der Eigentümer der Immobilie, die Pensionskasse der Hoechst AG, lässt alle Hinterlassenschaften der S&K-Ära versteigern, bevor es an die Neuvermietung der Villa geht.
Reges Treiben im Hauptsitz der S&K-Gruppe in der Kennedyallee 123: Statt Geschäftsleuten im edlen Zwirn und leicht bekleideten Mannequins bevölkerten gestern mit Auktionsprospekten bewährte Schnäppchenjäger die 1000-Quadratmeter große Gründerzeitvilla. Alles muss raus. Denn der Besitzer der Immobilie, die Pensionskasse der Hoechst AG, möchte endlich einen Nachmieter finden: „Wir suchen noch. Allerdings ist es die beste Voraussetzung, solch eine Immobilie zu präsentieren, wenn sie leer ist. Wir sind auch gehalten, gewisse gesetzlichen Regularien einzuhalten und öffentliche Teilnahme zu gewährleisten“, erklärt Jörg Blaurock, Vorstand der Pensionskasse der Hoechst AG.
Insgesamt 269 Positionen listet der Auktionskatalog der auf Industrie-Auktionen spezialisierten Firma Perlick und Partner, welche die Hinterlassenschaften der S&K-Ära im Auftrag der Pensionskasse der Hoechst AG an den Mann bringen soll. Die Startpreise sind außerordentlich günstig: 50 PC-Tastaturen gibt es ab 50 Euro, 54 Flachbildschirm-Monitore zum Schnäppchenpreis von 540 Euro. Zudem gibt es manches Liebhaber-Objekt wie eine Minibar in Form eines Holzglobus, ein einst 20 000 Euro teures Hunde-Therapiebecken, das aussieht wie ein zu groß geratenes Aquarium (Startpreis 4000 Euro), ein knappes Dutzend Aktenvernichter, Ledersofas und Wandleuchten. Von 9 bis 16 Uhr konnte man die Objekte gestern in der Villa begutachten.
Die eigentliche Versteigerung erfolgt ausschließlich online auf der Website www.perlick.de und beginnt am Mittwoch.
Am Freitag, 13 September, werden den Bietern die Zuschläge bekanntgegeben.
Viele Schaulustige zugegen
Ob es den Schnäppchenjägern, die am gestrigen Montag durch die Villa streiften, wirklich um den Erwerb günstiger Büroeinrichtung ging oder ob diese lediglich die Gelegenheit nutzen wollten, einen Blick ins Innere der luxuriösen Villa zu erhaschen, lässt sich schwer sagen. Es wird jedenfalls viel gekichert, die Stimmung ist ausgelassen. „Die waren ja richtig eingepfercht“, sagt eine Dame mit Blick auf eines der zahlreichen Büros, die mit riesigen schwarzen Schreibtischen und 08/15-Aktenschränken vollgestellt sind. „Ikea-Lampen brauche ich nicht“, entgegnet die Begleiterin. Durch die noble Villa zieht ein Hauch von Trödelmarkt.
„Da kommt nicht viel bei raus“, befürchtet Pensionskassen-Vorstand Jörg Blaurock hinsichtlich des Auktions-Ertrags. Doch: „Wir wollen so schnell wie möglich neu vermieten und wieder etwas Neutralität haben. Das Zeug einfach wegwerfen oder deponieren kostet auch Geld“.
Eine Sachsenhäuserin und ihre Tochter haben aus der Zeitung von der Pfandauktion erfahren und sind auf der Suche nach einem neuen Schreibtisch. „Außen hui, innen pfui. Wir sind sehr enttäuscht. Die Einrichtung ist scheußlich“, lautet das Fazit des Duos, das zwar ohne Schreibtisch, aber mit der Gewissheit abzieht, dass die mutmaßlichen Millionenbetrüger Stephan Schäfer und Jonas Köller nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis sich besser nicht als Innenarchitekten verdingen sollten. Aber das geschäftstüchtige Duo hatte ja ohnehin eher ein Faible für teure Sportwagen.
Besuch aus der Heimat
Auch ein Geschäftsmann aus Miltenberg, der Heimat von Jonas Köller, ist anwesend und sucht nach brauchbaren Artikeln. Er besuche öfters Pfandauktionen und bestätigt, dass rund um Miltenberg noch immer viel geredet werde über den sagenhaften Aufstieg und nicht minder spektakulären Fall der selbst ernannten Immobilien-Mogule, die es bei ihren Festen richtig krachen ließen. Der Herr bietet schließlich auch auf einige Objekte. Darunter befinden sich ein schwarzer Schreibtisch sowie die in vergoldeten Rahmen gefassten Pseudo-Öl-Portraits von Schäfer und Köller. Die Perlick-Mitarbeiter freuen sich indes: Bis zur Mittagszeit schauten rund 70 Interessenten vorbei.