Russland: Konsum treibt das Wachstum

Weil Öl, Gas und Bodenschätze einen großen Teil des russischen Aktienmarkts ausmachen, gilt Russland meist als reine Rohstoffwette. Nach Ansicht von Egor Kiselev bleiben mit einem solchen Ansatz aber erhebliche Chancen ungenutzt, die durch den boomenden russischen Konsum entstehen.

 

2012 ist die russische Wirtschaft um 3,4% gewachsen, weniger als 2011 mit 4,3%. Veränderte sich das Wachstum also kaum, verschoben sich die Strukturen der russischen Wirtschaft aber erheblich. Einige Branchen verloren 2012 im Vergleich zum Vorjahr an Bedeutung: Die Landwirtschaft schrumpfte infolge einer Dürre um 3,8%. Ebenso stagnierten der Rohstoffsektor und die Industrie (0,9% und 3,2% im Jahr 2012 ggü. 2,9% und 5,3% im Vorjahr). Im Gegensatz dazu zogen der Groß- und Einzelhandelssektor, getrieben von der starken heimischen Nachfrage, kräftig an: von 3,3% (2011) auf 6,5% (2012). Auch 2013 wird dies ähnlich sein.



Steigende Einkommen, niedrige private Verschuldung

 

Die im Wahljahr 2012 erhöhten Pensionen und Gehälter im öffentlichen Dienst ließen das verfügbare Einkommen deutlich steigen. Die russischen Haushalte sind im Durchschnitt 2,5 mal

Verm gender als die Chinesen und sechs Mal reicher als die Inder – und zahlen zudem nur 13% Steuern. Hinzu kommt die niedrige Verschuldung. Die Privatkredite1 sind 2012 um 39% gestiegen und betragen trotzdem nur 12% des BIP. In Brasilien liegt dieser Wert bei 24%, in der EU bei 97% (einschließlich Hypotheken).

 

Mehr Autos

 

Die Automobilindustrie ist eines der besten Beispiele für einen ungesättigten Markt, der von der steigenden Kaufkraft der russischen Haushalte profitiert. Der Automobilabsatz wuchs 2010 und 2011 um 30% bzw. 39%, und mit 250 Autobesitzern je 10002 Einwohner ist die Quote noch immer erheblich geringer als in Großbritannien (50,8%) und den USA (64,3%). Es bleibt also noch viel Luft nach oben. Schon heute ist Russland der zweitgrößte Automarkt Europas und dürfte in ein paar Jahren Platz 1 erobert haben.

 

Man muss die Besten finden

 

Für die russischen Industrie- und Einzelhandelsunternehmen ist es entscheidend, in ihrem Heimatmarkt die Gewinne durch mehr Effizienz und Skaleneffekte deutlich zu steigern. Genau deshalb können sich einige Unternehmen überdurchschnittlich entwickeln. So ist die Aktie der Einzelhandelskette Magnit im letzten Jahr um insgesamt 83% gestiegen, während der MICEX Index nur 15% zugelegt hat (alle Zahlen in US-Dollar, einschließlich Dividenden).

Hinzu kommt, dass der russische Markt im Vergleich mit den Industrieländern noch nicht sehr konzentriert ist und es viel Raum für eine Konsolidierung gibt. Bei Lebensmittelketten hat der Marktführer X5 nur einen Anteil von 5% am Gesamtmarkt, in Brasilien und Großbritannien betragen die Marktanteile der

jeweils führenden Unternehmen hingegen 13% und 29%.

Zusätzliche Chancen Die Zahl der handelbaren Konsumwerte steigt, und nicht nur klassische Growth-Aktien versprechen Wachstum. Einer der jüngsten Börsengänge ist der des Mobiltelefonanbieters MegaFon. Die Dividendenrendite von 7% (auf Basis des Emissionskurses) und die gegenüber vergleichbaren Unternehmen günstigen Bewertung haben viele Investoren angezogen, so dass die Aktie von ihrer Ausgabe Ende November bis zum 31.Dezember 2012 (umgerechnet in US-Dollar) um 19% zulegte.



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Um den Konsumgütersektor zu verstehen, muss man wissen, dass es hier für jedes Unternehmen ums Überleben geht. Die Marktführer sind schwer einzuholen, wenn sie sich erst einmal an der Spitze etabliert haben. Deshalb

ist in Russland die Einzelwertauswahl entscheidend. Chancen gibt es zweifellos viele – aber man muss sie erkennen.

 

* Erstveröffentlichung des Artikels im Februar 2013 in Perspectives, dem englischsprachigen Magazin der BNP für professionelle Investoren.

 

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