Europas Focus ist auf die PIGS-Staaten gerichtet. Um ihren Lebensstil mit wenigen Jahresarbeitsstunden, gigantischen Behördenapparaten und mittelprächtigen Produkten weiter aufrechtzuerhalten, musste sich auch Frankreich gefährlich hoch verschulden. Droht jetzt Ungemach? Der Wirtschaftspublizist und Autor der „Gemeinwohl-Falle“, Michael Hörl, analysiert.
Wenig Arbeit – wenig Lohn – teure Produktion
Nirgendwo auf der Welt muss man für ein Jahresgehalt mit 1.558 weniger Stunden leisten als in Frankreich. In Zürich arbeitet man 1.887 Stunden (+21%), in New York 2.062 (+32%) (UBS 2012). Weil weniger produziert wird, verdient eine Pariser Industriearbeiterin auch nur 14.600 Euro netto im Jahr – in Zürich käme sie auf 33.600 (+ 130%), und selbst im krisengeplagten New York noch auf 25.200 (+ 73%) (UBS 2012).
Fast jeder vierte Franzose ist Beamter (23%). Deren Finanzierung dezimiert die Reallöhne der Grande Nation auf südspanisches Niveau.
Schon 2008 hat das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln auf Frankreichs Diskrepanz von Lohnkosten und Produktivität hingewiesen. Frankreichs Angestellte kosten in der Stunde 10% mehr als deutsche, deren Produktivität ist aber um 13% geringer (87%).
Zu Zeiten des Francs war das kein Problem. Zwar lagen französische (und italienische) Autos in der Pannenstatistik regelmäßig hinter ihrer deutschen Konkurrenz. Weil man nach der Tourismussaison Franc und Lira aber um 10% abwertete, waren die Autos zwar nicht besser – aber billiger. Mit dem Euro hat sich der Spieß jetzt umgedreht; Autos „Made in Germany“ kosten heute oft sogar weniger.
Kranke Firmen – Schlechte Stimmung – Importflut
Die Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs (GCI 2012) ist alleine 2011 um 3 Ränge auf Platz 21 abgestürzt – Deutschland lag mit Platz 6 erstmals vor den USA. Der Euro hat dem Land eine Import-Party beschert –geliefert wurde aus l`Allemagne. Mit 118 Milliarden Euro (!) brach das Handelsbilanzdefizit 2011 alle bisherigen Rekorde.
War die Leistungsbilanz mit Deutschland in den 1970ern oder in den 1990ern noch ausgeglichen, hat sich alleine von der Euro-Bargeldeinführung an von 2002 bis 2010 ein deutscher Überschuss von 247 Milliarden Euro angesammelt (Bundesbank 2011).
Frankreichs Industrie lässt derweilen kräftig Federn. Um 16% hat sich ihr Anteil an den Beschäftigten seit der Euro-Einführung reduziert – von 26,3% (2000) auf 22,2% (2010). In Deutschland stieg die Industriebeschäftigung hingegen alleine 2011 um 1,6% (DLF 2012).
Zwar hat der Euro die Inflation auf nie gekanntes Niveau abgesenkt – für 2012 dürfte sie 2%, 2013 sogar unter 1% liegen – doch ist dies eher der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit seiner Ökonomie geschuldet: Frankreich kann seine Produkte nur noch über den Preis verkaufen… Und fährt damit immer größere Verluste ein, eine Kündigungswelle hat die Industrie erfasst.
Falsche Politikerversprechen
Die Franzosen arbeiten entweder zu wenig oder sie konsumieren zu viel. 1997 wählte man Lionel Jospin, weil er die 35-Stundenwoche versprach. Und 2012 wurde es Hollande, weil er das Gefühl vermittelte, man müsse bloß ein paar Reiche zur Kassa bitten, und schon könne man weitermachen wie bisher.
Unglücklicherweise gibt es dafür aber zu wenig Reiche. Und so glich Staat die Lücke bei den Markteinkommen schon unter Sarkozy durch Transferleistungen aus – für die man sich immer höhere Summen leihen musste.
Seit dem Euro-Beitritt stiegen die Staatsschulden um über 50%.
Droht Verlust des Euro?
Der Euro-Austritt Frankreichs ist theoretisch leicht vermeidbar – wenn man als Ausgleich für den Produktivitäts-Rückstand die Arbeitskosten senkt. Entweder erhöht man die Stundeanzahl für ein Vollgehalt oder man kürzt Löhne, was politisch allerdings schwer durchführbar ist.
Doch wie in Italien oder Spanien ist das Hauptproblem die Uneinsichtigkeit der Bevölkerung. Kein Wunder, ist sein Bildungssystem doch tief in der Tradition des französischen Staatssozialismus verwurzelt. Allerdings ist das revolutionäre Aufbegehren gegen die staatliche Obrigkeit des 18. Jahrhunderts mittlerweile einer kindlichen Vertrautheit gegenüber allem Staatlichen gewichen. Solange der sich nur revolutionär genug gebärdet – und ein komfortables Leben verspricht.
Noch kann Frankreich seine Schulden günstig refinanzieren. Doch damit ist über Nacht schnell Schluss, wenn Italien oder Spanien aus dem Rampenlicht verschwinden. Und gerade dieser Tage berichtete Monti stolz, dass sich Italien dank beherzter Einschnitte im Sozialsystem so billig wie schon lange nicht mehr finanzieren konnte…
Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg. In seinem aktuellen Buch „Die Gemeinwohl-Falle“ beschäftigt er sich kritisch mit den Thesen Christian Felbers, Jean Zieglers und der Euro-Krise.
Rückfragen:
www.michaelhoerl.at (Pressebilder)
0043 699 15 09 18 52
Bisher erschienen:
Die Finanzkrise und die Gier der kleinen Leute (2011)
Die Gemeinwohl-Falle oder Wie man eine Gesellschaft mit Halb- und Unwahrheiten aufwiegelt (201