Auf Europas Bildschirmen tobt der nackte Wahnsinn. Eine komplette Gesellschaft wird von einer außer Rand und Band geratenen Fernseh-Schickeria auf Depression und Untergang eingeschworen. Objektivitäts-Verpflichtungen sind Schall und Raus, zu sehr hat man sich an den veröffentlichen Niedergang „des Systems“ gewöhnt.
In den Shows von ARD und ZDF gehören Vertreter der Linken – der Nachfolgepartei der linksextremen SED – so selbstverständlich zum Inventar wie Kamera und Kaffeeautomat. Dort parlieren sie staatsmännisch über das verbrecherische System des Kapitalismus. Vor kritischen Gegenfragen müssen sie sich noch weniger fürchten als dem „Quoten-Liberalen“. Selbst ein an sich harmloser Bericht über minderwertige Brustimplantate gerät im ZDF-Auslandsjournal bei Theo Koll zur Abrechnung mit der verabscheuenswürdigen „Profitgier des Kapitalismus“. Zur Korrespondentin nach London gibt man „ins Land des Turbokapitalismus, nach England“ (ZDF Auslandsjournal vom 18.1.2012.
Viele Moderatoren zeigen sich von der Verkommenheit des herrschenden Systems überzeugt und machen auch kein Hehl daraus. Positive Meldungen gibt es nicht. Stimmungen, die Lebensfreude zeigen, haben in der Erwachsenenwelt ab 20 Uhr – vor allem bei den Öffentlich-Rechtlichen – nichts zu suchen. Das Programm von Privatsendern, die ihre Seher vor der ver-öffentlichten Depression verschonen wollen, diffamiert man gern als „seicht“.
Die Menschen sind empört. Doch nicht über jene, die sie mit der jahrzehntealten Leier von den schrumpfenden Mittelschichten aufwiegeln. Nein. Man empört sich über die Minderheit an Nicht-Empörten. Und deren intellektuelles Unvermögen, die Verschwörung „von denen da oben“ gegen „uns da unten“ zu erkennen. Und deren provozierender Nicht-Aggressivität.
Fernsehen macht depressiv und wütend
Thomas Bernhard hatte 1969 einmal bemerkt: „Durch Deutschland geht der Todernst, aber er ist lächerlich!“ Ein ganzer Kontinent wird auf Untergang und Depression „gebrieft“. Wer in Europa heute einen gemütlichen Fernsehabend plant, muss einen wahren Spießrutenlauf bewältigen, um der geschürten Abstiegsangst zu entkommen. Am 15.12.2009 wollte es der Autor wissen und setzte sich vor den Fernseher. Ohne zu ahnen, worauf er sich da eingelassen hatte. Es begann im „Ersten“…
ARD (22:45) Maischberger
In Maischbergers Beitrag „Schluss mit der Heuchelei: Gier macht glücklich“ berichtet Hochstapler Harksen, wie er gierigen Reichen Millionen abgenommen hat. Die Gier habe die Menschen blind gemacht.
ZDF (21:00) „Unter Null. Günter Wallraff – obdachlos durch den Winter“
250.000 Rentner sind obdachlos. Wallraff mischte sich unter sie. „Ist Deutschland rauer geworden?“, fragt der Sprecher und lässt Sozialexperten warnen, dass sich die Armut angesichts Hartz IV noch weiter ausweiten würde (dass die Armut in Deutschland nach Hartz IV erstmals seit Jahren zurückgegangen ist, bleibt natürlich unerwähnt).
RTL (22:15) „Stern TV-Reportage“
„Gestern Mittelschicht, heute ganz unten! Wenn Familien abstürzen.“ Jeder 8. Bundesbürger ist schon arm. Im Sozialkaufhaus trifft man viele „normale Bürger“. So sucht ein Lehrling etwas zum Einrichten für seine erste Wohnung. Der Sprecher warnt mit sonorer Stimme: „Wenn er nicht aufpasst, wird es bald zu den 30.000 Obdachlosen in NRW zählen!“
Kabel 1 (21:15) „Der Immobilienfürst“
„Immobilienhai“ Sayn-Wittgenstein hilft verzweifelten Millionären, die sich ihre Villa nicht mehr leisten können. Reichtum geht so schnell wie er gekommen ist.
Sat 1 (22:20) „Akte 09“
„Wer mit Internet-Fälschungen Ihre Gesundheit ruiniert!“, heißt der erste Beitrag. Viele Produkte werden von kriminellen Unternehmern gefälscht und über`s Internet vertrieben. Der Verbraucher zahlt immer drauf, die Gauner können entkommen.
„Endlich haben wir eine Wohnung!“ heißt der zweite Film. Eine 26jährige Mutter von fünf Kindern sucht verzweifelt nach einer Wohnung. Erfolglos, niemand will an sie vermieten – „Wie kalt ist diese Gesellschaft?“, fragt der Sprecher zornig. Die Mutter weint.
ORF 2 (21:05): „Report“
Es geht um Armut in Österreich: Wie ungerecht ist der Wohlstand in Österreich verteilt (als rhetorische Frage)? Was kann die öffentliche Hand gegen die himmelschreiende Ungerechtigkeit tun, hilft die Reichensteuer?
ORF 2 (22:30) „Kreuz und Quer“
Der erste Beitrag, „Freier Welthandel oder Gier: Der Weg zur gerechten Weltwirtschaft“ ist zugleich Programm: Die Weltwirtschaft ist ungerecht und ausbeuterisch. Mit Rohstoffen wird auf Kosten armer Länder spekuliert. Kleine Produzenten werden von Großkonzernen ausgenutzt und ausgebeutet.
Der zweite Beitrag „Roma in der Slowakei“ weiß von einer 90%igen Arbeitslosigkeit bei Roma-Familien. Sie sind Opfer, werden diskriminiert und sind gezwungen, von Sozialhilfe zu leben und keine Initiative zu zeigen.
Fernseh-Sender demokratisieren
Sämtliche Beiträge – nur dieses einen Fernsehabends – schürten einseitig die soziale Abstiegsangst der Menschen. Sie alle waren tendenziös, der Sendungsausgang schon von Anbeginn an klar. Kein einziger Beitrag riskierte unabhängiges Expertenwissen – oder gar Kritik.
Wer nach einem solchen Fernsehabend nicht Wut auf „das Systems“ verspürt, der versteht vielleicht nicht Deutsch – oder er versteht Medien und Gesellschaft ganz besonders gut. Der „German Weltschmerz“ lässt die Bürger an Komplotte glauben; dass die Reichen und die Spekulanten „gegen uns, da unten“ sind. Und weil die Medienindustrie und deren Proponenten ebenfalls ganz „German“ denken, kann man zwei Fliegen mit der Klappe schlagen: Man verdient sein Geld, indem man die gesuchten Ängste aufgreift und dann medial noch Tausendfach verstärkt. Das treibt ein Volk in Hysterie. Mit dem Erfolg, dass heute 90 Prozent der Deutschen glauben, dass es ungerecht im Lande zugeht. Werte, wie es sie historisch nur an Vorabenden von politischen Verwerfungen gab.
Will man den Zorn aus unserer Gesellschaft nehmen, muss man seine Medien schleunigst demokratisieren. Etwa durch ein Objektivitätsgesetz: Bei politischen Beiträgen soll der Anteil konservativer oder wirtschaftsliberaler Meinungen künftig bei 25% liegen. Stellen Sie sich vor, wie dieser Fernseh-Abend dann ausgesehen hätte.
Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg/Österreich und hat soeben sein neues Buch, „Die Gemeinwohl-Falle“ herausgegeben. Es versteht sich als Antwort auf Globalisierungskritiker wie Christian Felber („Attac“) und Jean Ziegler.