Grundlage der zeitnahen Betriebsprüfung sind die rechtsverbindlichen Steuererklärungen für die zu prüfenden Veranlagungsjahre
Erstmals werden bundesweit einheitliche Rahmenbedingungen für eine zeitnahe Betriebsprüfung verbindlich festgelegt. Die Betriebsprüfung kann nur für die Prüfungszeiträume durchgeführt werden, zu denen dem Finanzamt vollständige Steuererklärungen vorliegen. Gegenwartsnah ist eine zeitnahe Betriebsprüfung nur, wenn die anfängliche Bereitschaft von Unternehmen und Finanzbehörde zu Effizienz und Kooperation während der gesamten Prüfungsdauer aufrecht erhalten und aktiv in der Praxis umgesetzt wird. Steuerberater Roland Franz, Geschäftsführender Gesellschafter der Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzlei Roland Franz & Partner in Essen, erklärt, was sich hinter dieser abstrakten Formulierung verbirgt: „Mit dem Entwurf zum Steuervereinfachungsgesetz 2011 hatte die Bundesregierung u. a. das Thema „Zeitnahe Betriebsprüfung“ aufgegriffen. Ziel ist es, Betriebsprüfungen künftig gegenwartsnäher durchzuführen, weil lange Zeiträume zwischen Entstehung der Steuer und der Betriebsprüfung sowohl auf Seiten der Unternehmen als auch des Fiskus als nachteilig angesehen werden.“
Bei der traditionellen Betriebsprüfung werden im Regelfall drei Veranlagungsjahre zusammengefasst. Bis es zur Durchführung der Prüfung kommt, liegt häufig das älteste Veranlagungsjahr fünf Jahre zurück. Es liegt auf der Hand, dass zum einen die Aufklärung so lange zurückliegender Sachverhalte häufig Schwierigkeiten verursacht. Auch die Rechtsunsicherheit aufgrund etwaiger Steuernachforderungen kann ein Unternehmen zusätzlich belasten, zumal die mit den Nachzahlungen verbundenen Zinsen steuerlich nicht abzugsfähig sind. Nach Auffassung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages führt dies „zu erheblicher Rechts- und Planungsunsicherheit, zu Nachteilen beim Kredit-Ranking sowie zu dem Erfordernis, aufwändig alte Unterlagen zu suchen und zu prüfen, zwischenzeitlich ausgeschiedene Mitarbeiter zu reaktivieren und alte Soft- und Hardware bereitzuhalten.“
Was muss man sich unter einer zeitnahen Betriebsprüfung vorstellen und wie läuft sie ab?
Die Betriebsprüfungsordnung enthält keine konkreten Regelungen zum Ablauf einer zeitnahen Betriebsprüfung mit Ausnahme des Hinweises, dass über das Ergebnis der Prüfung ein schriftlicher Bericht zu erstellen ist. Das war allerdings bisher schon bei Betriebsprüfungen obligatorisch.
Einige Bundesländer haben aufgrund von Modellversuchen bereits erste Erfahrungen mit der zeitnahen Betriebsprüfung gemacht. Beispielsweise hatte die Oberfinanzdirektion Hannover einen Leitfaden zur zeitnahen Betriebsprüfung veröffentlicht. Bei diesen Modellversuchen lief die zeitnahe Betriebsprüfung zumeist als Jahrestaktprüfung ab; es wurden also nicht mehrere Jahre zusammengefasst, sondern der Prüfer erschien jährlich im Unternehmen. Dies ist in der geänderten Betriebsprüfungsordnung abweichend geregelt.
Damit bietet sich die zeitnahe Betriebsprüfung insbesondere für solche Betriebe an, die nach den Größenmerkmalen der Betriebsprüfungsordnung als Großbetriebe eingestuft und daher lückenlos geprüft werden.
Die bisherigen Modellversuche zur zeitnahen Betriebsprüfung haben auf eine entsprechende Kooperationsbereitschaft der geprüften Unternehmen gesetzt mit der Folge, dass diesen eine verstärkte Mitwirkungspflicht auferlegt wurde. Deshalb war nach bisheriger Rechtslage gegen den Willen des Unternehmens eine zeitnahe Betriebsprüfung nicht zulässig. Demgegenüber erlaubt die Betriebsprüfungsordnung nun eine zeitnahe Betriebsprüfung auch gegen den Willen des betroffenen Unternehmens.
Wie sich aus der amtlichen Begründung der Bundesregierung ergibt, sind Grundlage der zeitnahen Betriebsprüfung die rechtsverbindlichen Steuererklärungen für die zu prüfenden Veranlagungsjahre. Damit hat der Gesetzgeber Klarheit geschaffen, dass – anders als in einigen Modellversuchen, in denen die Steuererklärungen vor der Jahrestaktprüfung ohne Unterschrift (Osnabrücker Modell) eingereicht werden konnten – nur auf der Basis unterschriebener Steuererklärungen geprüft werden kann.
Als Vorteile für die beteiligten Unternehmen sind zu sehen:
- geringes Zinsrisiko bei Steuernachforderungen für zurückliegende Jahre,
- frühe Rechtssicherheit bezüglich steuerlich riskanter Sachverhalte,
- hohe Planungssicherheit,
- das Risiko von antizyklischen Steuernachforderungen (hohe Steuernachzahlungen für ertragreiche Jahre kommen in ertragsschwachen Jahren) sinkt,
- geringer Aufklärungsaufwand im Unternehmen.
Nachteile aus Sicht der Unternehmen ergeben sich durch:
- frühere bestandskräftige Steuerbescheide, auf die spätere Rechtsprechungsänderungen zugunsten des Unternehmens keine Auswirkung haben,
- „Offenbarung“ des Unternehmens durch die steuerliche Selbstauskunft,
- elektronischer Datenzugriff ohne Einschränkung auf den Prüfungszeitraum.
„Über das Prüfungsergebnis hat die Finanzverwaltung einen schriftlichen Bericht zu erstellen (§ 202 AO). Führt die Prüfung zu Änderungen von Besteuerungsgrundlagen, muss die Sach- und Rechtslage so detailliert wiedergegeben werden, dass Grund und Höhe der Änderungen überprüfbar sind. Dies galt bisher schon für Nordrhein-Westfalen, ist aber nun bundeseinheitlich geregelt und hat insbesondere im Hinblick auf den Prüfungsbericht ein höheres Gewicht erlangt. Die neue Regelung tritt für nach dem 01.01.2012 angeordnete Außenprüfungen in Kraft“, erklärt Steuerberater Roland Franz.