EWU: Rezession klopft 2012 an die Tür

Das robuste Wirtschaftswachstum in Deutschland war nicht von Dauer, denn aktuell trüben sich die Aussichten wieder ein, so die Einschätzung der W&W Asset Management GmbH, Teil des Stuttgarter Vorsorge-Spezialisten Wüstenrot & Württembergische (W&W). Einer Rezession, die für die Europäische Wirtschaftsunion (EWU) im nächsten Jahr zu erwarten sei, werde Deutschland zwar voraussichtlich entgehen. Mit einem stark verlangsamten und nur moderaten Wachstum sei 2012 aber zu rechnen.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Im zweiten Quartal fiel letzten Schätzungen zufolge das deutsche Wirtschaftswachstum mit 2,7 Prozent im Jahresvergleich deutlich geringer aus als im vorangegangenen Quartal, in dem ein Zuwachs von 4,7 Prozent verzeichnet wurde. Auch in der EWU hat sich das Wirtschaftswachstum deutlich verlangsamt. „Diese insgesamt nachlassende Konjunkturdynamik wird sich voraussichtlich fortsetzen. Darauf deutet zumindest die Mehrzahl der Stimmungsindikatoren in Europa hin“, berichtet Ortansa Becker, Kapitalmarktanalystin der W&W Asset Management. Spuren im deutschen Industriesektor hinterlässt vor allem die geringere Nachfrage aus dem Ausland als Folge der Abkühlung des Wirtschaftswachstums in Asien. Spürbar war dieser Effekt bei den Exporten bereits im zweiten Jahresviertel – und er wird die deutsche Wirtschaft auch weiterhin belasten. Neben diesen sich mehrenden Anzeichen für eine globale Konjunkturverlangsamung bremst vor allem die Verschuldungskrise einiger europäischer Staaten das Wirtschaftswachstum der gesamten EWU. „Beide Faktoren waren Anlass, frühere Prognosen zu revidieren: Inzwischen gehen wir für 2011 zwar noch von einem positiven Wachstum von 1,25 Prozent in der EWU aus, für das kommende Jahr rechnen wir allerdings mit einer Rezession. Dieser dürfte Deutschland entgehen können, aber auch hier wird das Wachstum 2012 nur sehr moderat ausfallen“, erläutert Becker.

Inflation: Trotz jüngster Preisanstiege nur verhaltene Inflationsrisiken

In Deutschland war im September laut ersten Schätzungen eine Inflation von 2,6 Prozent zu verzeichnen und damit der deutlichste Preisanstieg seit drei Jahren. In der EWU zogen die Verbraucherpreise ebenfalls an, um drei Prozent. „Trotzdem herrscht kein vermehrtes Inflationsrisiko. Vielmehr ist zu erwarten, dass ein  schwächeres Wirtschaftswachstum, eine zurückhaltende Konsumbereitschaft bei den privaten Verbrauchern sowie der in den vergangenen Wochen zu beobachtende Rückgang des Ölpreises im weiteren Jahresverlauf zu einem nur moderaten Anstieg der Verbraucherpreise beitragen werden“, erklärt die Expertin der W&W Asset Management.

Der Euro: Verschuldungskrise rückt als Belastungsfaktor in den Blickpunkt

Nach wie vor bestimmt das Spannungsfeld zwischen der EWU-Verschuldungsproblematik einerseits und den US-Konjunktursorgen andererseits die Entwicklung der Europäischen Gemeinschaftswährung. Kürzlich rückte dabei jedoch die sich zuspitzende Schuldenkrise unter anderem aufgrund der Herabstufung der Kreditwürdigkeit Italiens durch die Rating-Agentur Standard & Poor’s und auch durch Moody’s in den Vordergrund. Auch die Situation in Griechenland und die Diskussionen um eine Umschuldung drücken auf den Euro. „Darüber hinaus ist damit zu rechnen, dass die Europäische Zentralbank wieder einen expansiveren Kurs fährt, der die Gemeinschaftswährung belasten wird. Ende des Jahres sehen wir den Euro deshalb bei 1,30 bis 1,35 US-Dollar“, lautet die Einschätzung von Ortansa Becker.

Geldpolitik und Rentenmarkt: Abwärtstrend bei zehnjährigen Bundesanleihen

Angesichts des jüngsten Inflationsanstiegs ist aus Sicht der W&W Asset Management erst Ende des Jahres mit einer Senkung des Refinanzierungssatzes zu rechnen. Diese Erwartung spiegelt sich auch in den kurzfristigen Zinsen wider: Die Rendite zweijähriger deutscher Staatsanleihen bewegte sich auf niedrigem Niveau seitwärts. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen setzte hingegen den Abwärtstrend fort und brach im September sogar zwischenzeitlich auf ein historisches Tief von 1,6 Prozent ein. „Sich weiter eintrübende Konjunkturaussichten sorgen für ein Umfeld, das wenig Platz für Zinsanstiege lässt“, berichtet Becker. Nach ihrer Einschätzung rentieren zehnjährige Bundesanleihen Ende des Jahres mit 1,75 Prozent. Ein gegenläufiges Bild zeigt sich jedoch bei Staatsanleihen der EWU-Peripherie. „Das Ringen um Sparpakete belastet das Vertrauen in diese Papiere. In der Folge ziehen die Renditen weiter an“, erläutert die Expertin.

Aktienmarkt: Kursverluste und wenig Aussicht auf schnelle Erholung

Die hohe Risikoaversion der Anleger beschert den Aktienmärkten deutliche Kursverluste. So gab der Euro STOXX 50 Ende September auf 1.995 Punkte nach. „Vor allem europäische Bankentitel verbuchten im Zuge der sich ausweitenden Verschuldungskrise aufgrund der Befürchtung hoher Abschreibungen auf ihre Anleihenbestände Verluste“, berichtet Becker. Auch weiterhin werden die sich abzeichnende globale Konjunkturkrise und die Schuldenproblematik die Aktienmärkte belasten. „Moderates Erholungspotenzial bis Ende des Jahres birgt lediglich die bislang noch erfreuliche Entwicklung bei den Unternehmensgewinnen sowie die höhere Attraktivität von Aktien gegenüber Staatsanleihen angesichts des historisch niedrigen Renditeniveaus“, sagt die Kapitalmarktanalystin.

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