Eurozone: Nachlassende Dynamik erwartet

Nach einer kurzen Phase der Entspannung bereitete die EWU-Verschuldungskrise in den vergangenen Wochen wieder größere Sorgen. Die schwache Konjunkturentwicklung in den Ländern der EWU-Peripherie wird sich im Jahresverlauf voraussichtlich bremsend auf die Wachstumsdynamik in der Europäischen Währungsunion  auswirken. Derzeitiger Lichtblick ist Deutschland als Wachstumsmotor der EWU, so die Einschätzung der W&W Asset Management, einer Tochtergesellschaft des Stuttgarter Vorsorge-Spezialisten Wüstenrot & Württembergische (W&W).

„Deutschland überraschte im ersten Quartal mit einem robusten Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts und bleibt weiterhin der Wachstumsmotor der EWU. Gegenüber dem Vorjahr wies die deutsche Wirtschaft im ersten Jahresviertel einen Anstieg um 4,9 Prozent aus“, berichtet Ortansa Becker, Kapitalmarktanalystin bei der W&W Asset Management. Treibende Faktoren dieser Entwicklung waren Investitionen für Maschinen und Ausrüstungen. Investitionen im Bausektor sowie die Exporte sorgten ebenfalls für positive Impulse. Mit einem Anstieg von 2,5 Prozent im Jahresvergleich fiel auch das EWU-Bruttoinlandsprodukt erfreulich aus – neben Deutschland erzielten Frankreich und Österreich ein erfreuliches Wirtschaftswachstum. Nach robusten Zuwachsraten zu Beginn des Jahres verlangsamte sich die Dynamik im europäischen Industriesektor allerdings im März. „Zu beobachten bleibt dabei, ob dies auf Lieferengpässe in Folge der verheerenden Naturkatastrophe in Japan zurückzuführen oder bereits als erstes Signal für eine konjunkturelle Verlangsamung zu werten ist“, meint Ortansa Becker. Insbesondere die Belastungen der Verschuldungskrise scheinen in der EWU zunehmend ihre Spuren zu hinterlassen. Schlechte Nachrichten kommen weiterhin aus den Peripherieländern: Dort ist angesichts der restriktiven Fiskalmaßnahmen mit einem nur schwachen beziehungsweise rückläufigem Wachstum zu rechnen. Insgesamt deutet auch der leichte Rückgang einiger Stimmungsindikatoren darauf hin, dass im Jahresverlauf zumindest mit einer nachlassenden Dynamik im EWU-Raum zu rechnen ist.

Inflation: Verbraucherpreise setzten Aufwärtstrend weiter fort

Während der Ölpreis zwischen Januar und Mai 2010 im Durchschnitt bei 80 US-Dollar pro Barrel lag, kostete ein Barrel Öl im selben Zeitraum 2011 rund 112 US-Dollar. „Das trug zu einem Anstieg der Inflation in der EWU von 2,3 Prozent im Januar auf 2,8 Prozent im April bei. Vor diesem Hintergrund ging die EZB im April in eine  restriktivere Geldpolitik  über“, erklärt Becker. In Deutschland war eine ähnliche Entwicklung der Verbraucherpreise zu beobachten wie in der EWU. „Im weiteren Jahresverlauf ist aufgrund einer positiven, aber nachlassenden Wachstumsdynamik in Deutschland und der EWU allerdings mit einer allmählichen Beruhigung an der Inflationsfront zu rechnen“, fährt die Expertin fort.

Der Euro: Gemeinschaftswährung profitiert von restriktiver Politik der EZB

Durch den Übergang der EZB in eine restriktivere Geldpolitik konnte der Euro den im Februar begonnenen Aufwärtstrend bis Anfang Mai fortsetzen – trotz der negativen Nachrichten aus der EWU-Peripherie. Dann zeigte sich jedoch, dass die EWU-Verschuldungsproblematik nicht auf Dauer auszublenden ist. Der Euro setzte zu einer technischen Gegenbewegung an und wertete auf 1,40 US-Dollar ab, bevor sich die Lage für die Eurozone Ende Mai wieder ein wenig entspannte. „Auch in den kommenden Monaten wird die schwelende Verschuldungskrise den Euro belasten, während die restriktive Geldpolitik der EZB und schwache Konjunkturvorgaben aus den USA für positive Impulse sorgen werden“, sagt die Kapitalmarktanalystin.

Geldpolitik und Rentenmarkt: Erste Leitzinsanhebung seit 2008

Die EZB erhöhte ihren Leitzins im April auf 1,25 Prozent. Der Übergang in eine restriktivere Geldpolitik trug zu einem Anstieg der Rendite zweijähriger deutscher Staatsanleihen auf zwischenzeitlich 1,9 Prozent – das höchste Niveau seit 2008 – bei. Anfang Mai war wieder ein Rückgang auf 1,6 Prozent zu beobachten. Zurückzuführen war der Rückgang unter anderem auf sich eintrübende Stimmungsindikatoren. Eine weniger zuversichtliche Konjunkturstimmung wirkte sich ebenfalls auf die langfristigen Renditen aus. „Die Risikoaversion der internationalen Anleger nahm wieder zu und führte zu einer verstärkten Flucht in Staatsanleihen, wovon auch die deutschen Bundespapiere profitierten“, erläutert Ortansa Becker. Angesichts der anhaltenden Spannungen der EWU-Verschuldungskrise ist in den folgenden Wochen mit einem nur moderaten Anstiegspotenzial bei den langfristigen Zinsen zu rechnen. Für die Sommermonate ist in der Summe von einer Seitwärtsbewegung am deutschen Rentenmarkt auszugehen.

Aktienmarkt: Ausblick für die kommenden Monate verhalten

Auch der europäische Aktienmarkt wurde in den vergangenen Wochen stark von gegensätzlichen Bewegungen beeinflusst. Einerseits trugen weitgehend erfreuliche Konjunkturvorgaben aus der EWU und positive Unternehmensberichte dazu bei, dass der Euro STOXX 50 im April bis auf 3.011 Punkte anstieg. Andererseits trübten Sorgen  hinsichtlich der EWU-Verschuldungskrise die Stimmung der internationalen Anleger, so dass der Aktienindex im Mai deutlich auf 2.862 Punkte nachgab. „Für die kommenden Monate bleibt der Ausblick für die internationalen Aktienmärkte in dem aktuellen Umfeld verhalten“, prognostiziert die Expertin von W&W Asset Management. „In Anbetracht der anhaltenden Verschuldungskrise wird das Anstiegspotenzial des Euro STOXX 50 begrenzt sein.“

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