Der BGH mischt die Karten neu – keine Aufklärungspflicht von freien Anlageberatern über den Bezug von Provisionen

Von RA Marc Ellerbrock

Selten wurde bereits vor Veröffentlichung der Urteilsgründe derartig intensiv über eine Entscheidung diskutiert, wie dies bei dem Urteil des BGH vom 15.40.2010 (III ZR 196/09) der Fall gewesen ist. Zu den Hintergründen:

Wie im Allgemeinen bekannt sein dürfte, hat der BGH in den letzten Jahren seine Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht der Banken über den Bezug von Innenprovisionen einerseits und den Bezug von Rückvergütungen andererseits konkretisiert (vgl. hierzu „Kick-Back Rechtsprechung und ihre Folgen –Klagewelle für freie Anlageberater und Finanzdienstleister“, Newsletter Nr. 2 der Rechtsanwälte BEMT, zum Download zur Verfügung auf www.rae-bemt.de) Offen blieb bislang, inwiefern diese Verpflichtung auch auf den freien Anlageberater übertragbar ist. Hierbei zeichnete sich in der Instanzrechtsprechung bereits die Tendenz ab, dass von einer entsprechenden Aufklärungsverpflichtung auch der freien Anlageberater ausgegangen werden müsse. (so z.B. LG München, Urteil vom 25.02.2010 – AZ: 22 O 1797/09, OLG Stuttgart, Urteil vom 04.03.2010 – AZ: 13 U 42/09) Auch der Verfasser ging bereits davon aus, dass der BGH unter Fortsetzung seiner in den letzten Jahren überaus verbraucherfreundlichen Rechtsprechung eine Verpflichtung der freien Anlageberater über den Bezug von Innenprovisionen demnächst verankern würde („Kick-Back Rechtsprechung und ihre Folgen“, aaO)

Lediglich das OLG Celle war dem allgemeinen Trend mit der Entscheidung vom 11.06.2009 (11 U 140/08) entgegengetreten und hatte hierbei wie folgt ausgeführt:

„Diese Rechtsprechung ist nach Ansicht des Senats nicht auf die Vermittlung von Fondsanteilen durch allgemeine Anlageberater, deren Beratung von den jeweiligen Kunden nicht vergütet wird, zu übertragen. Ein Bankkunde muss nämlich nicht zwingend damit rechnen, dass die Bank Rückvergütungen für ihre Vermittlungstätigkeit erhält. Bei Banken ist es vielmehr durchaus möglich, dass die Anlageberatung eine Serviceleistung im Rahmen der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Kunden und der Bank darstellt. Dieser Umstand stellt einen grundlegenden Unterschied zu der Position der Beklagten dar, bei der es für den Kunden klar erkennbar ist, dass sie sich über Provisionen aus den vermittelten Geschäften finanziert und daher auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Vermittlung hat.“

Eben diese Entscheidung des OLG Celle, bei der es im Übrigen um die Vermittlung eines Anteils am Falk Fonds 75 über EUR 50.000,00 ging, war nunmehr in der Revisionsinstanz Gegenstand der Betrachtung durch den 3. Zivilsenat des BGH.  Hierbei hat der BGH sich ausführlich zur Pflicht des freien Anlageberaters über die Aufklärung von bezogenen Provisionen geäußert. Unter anderem führte der BGH hierzu wie folgt aus:
„Wenn ein Anleger sich durch einen freien Anlageberater über eine Kapitalanlage, insbesondere Fonds, beraten lässt, und selbst keine Provision für den Anlageberatung zahlt, so liegt es für den Kunden auf der Hand, dass der Anlageberater von der kapitalsuchenden Anlagegesellschaft Vertriebsprovisionen erhält, die jedenfalls wirtschaftlich betrachtet dem vom Kunden an die Anlagegesellschaft gezahlten Betrag entnommen werden. Da der Anlageberater mit der Beratung selbst sein Geld verdienen muss, kann auch nicht angenommen werden, er würde diese Leistungen insgesamt kostenlos erbringen.

Dabei wird dem Kunden des Anlageberater besonders deutlich vor Augen geführt, dass der Berater seine Vergütung von der Anlagengesellschaft erhält, wenn er Verwaltungsgebühren oder Ausgabeaufschläge zusätzlich zum Anlagebetrag zahlen muss, die dem Kapitalstock seiner Anlage nicht zu gute kommen. Wenn dem Kunden bekannt ist, dass in seinem Zahlungsbetrag zum Beispiel ein Agio enthalten ist, so liegt für ihn erst Recht klar erkennbar zu Tage, dass aus diesen Mitteln auch Vertriebsprovisionen gezahlt werden, an denen sein Anlageberater partizipiert.“

Es besteht folglich nach Auffassung des BGH gerade keine Verpflichtung des bankunabhängigen Anlageberaters, den Anlageinteressenten auf von ihm bezogene Innenprovisionen hinzuweisen. Den Unterschied zwischen den Aufklärungspflichten einer Bank und des unabhängigen Finanzdienstleisters begründet der BGH im Übrigen damit, dass das Vertragsverhältnis zwischen dem Kunden und seiner Bank üblicher Weise auf Dauer gegründet sei. Ferner sei eine solche Vertragsbeziehung regelmäßig davon geprägt, dass die Bank für die von ihr erbrachten Dienstleistungen von ihren Kunden fortlaufende Entgelte oder Provisionen erhalte. Der von seiner Bank beratende Kunde müsse deshalb nicht damit rechnen, dass die Bank im Rahmen einer Anlageberatung eigene Interessen verfolge. Diese Ausgangslage sei jedoch gerade im Rahmen einer Beratung durch einen unabhängigen Finanzdienstleister anders. Der BGH hat damit erstmals die Pflichten aus einem konkludent geschlossenen Beratungsvertrag im Hinblick auf Banken und unabhängige Finanzdienstleister unterschiedlich definiert.

Im Gesamtkontext der Entscheidung ist auch der nachfolgende Auszug beachtenswert:

„Danach besteht wegen der Besonderheiten der vertraglichen Beziehung zwischen einem Anleger und seinem Anlageberater jedenfalls dann –soweit nicht der im vorliegenden Fall nicht anwendbare § 31 d des Wertpapierhandelsgesetztes eingreift- keine Verpflichtung für den Berater, ungefragt den Anleger über eine von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Provision aufzuklären, wenn dieser selbst –wie hier- keine Provisionen an den Berater zahlt und offen ein Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen werden, aus denen ihrerseits die Vertriebsprovisionen aufgebracht werden.“ (Hervorhebungen durch den Verfasser)

Hierdurch dürfte hinreichend deutlich werden, dass es zum Hinweis auf den Bezug von Provisionen nichtmals der rechtzeitigen Aushändigung des Emissionsprospektes bedarf, da auf ein vom Anlageinteressenten zu entrichtendes Agio bereits regelmäßig im Rahmen des Zeichnungsscheines hingewiesen wird. Ein solcher Hinweis auf Ausgabeaufschläge reicht jedoch nach Auffassung des BGH zur Aufklärung des Anlageinteressenten über den wahrscheinlichen Bezug von Innenprovisionen aus.

Der BGH hat mit dieser Entscheidung die bereits halbgeöffnete Büchse der Pandora wieder geschlossen und der allseits erwarteten Klagewelle einschlägig bemühter Verbraucherschutzanwälte einen Riegel vorgeschoben.
Die Rechtsanwälte Blazek Ellerbrock Malar Trube (BEMT-Rechtsanwälte) mit Niederlassungen in Markdorf/Bodensee und Bielefeld vertreten schwerpunktmäßig Anlageberater- und Vermittler sowie Finanzdienstleister und Emissionshäuser. Das Angebotsspektrum reicht hierbei von der klassischen Vertretung im Rahmen gerichtlicher Auseinandersetzungen, über Rechtsberatung in allen relevanten Themen bis hin zur Vertriebsschulung und der Erstellung von Emissionsprospekten unter Einschluss der Zeichnungs- und Dokumentationsunterlagen. Im Rahmen dieser Tätigkeit verfügt jeder der Sozien über die Erfahrungen aus mehreren Haftungsprozessen im gesamten Bundesgebiet für diverse Kapitalanlageunternehmen und Vertriebsgesellschaften.

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