EU-Parlament und EZB: Ein Schaukampf zur Entmündigung der Steuerzahler

IWF und EZB wollen die Banken-Union in Europa durchdrücken. Das EU-Parlament leistet Widerstand in einer unerheblichen Nebensache, nämlich der Transparenz von EZB-Entscheidungen. Mit der Banken-Union verlieren die europäischen Steuerzahler die Möglichkeit, ihre Banken wirkungsvoll zu kontrollieren. Die Folge: Der Steuerzahler wird zahlen, ohne zu erfahren warum. Demokratie sieht anders aus.

Die Zentralbanken und der IWF machen Druck: Das EU-Parlament soll der geplanten Banken-Union zustimmen. Die von den Abgeordneten verlangte Kontrolle der EZB soll es nur in einem von der EZB bestimmten Ausmaß geben. Dem Parlament läuft die Zeit davon: IWF-Chefin Lagarde und EZB-Direktor Asmussen fordern, dass das Gesetz ohne Verzögerung beschlossen wird.

Die am Montag überraschend bekannt gegebene Verschiebung der Abstimmung des EU-Parlaments zur Banken-Union ist auf einen Konflikt zwischen den Abgeordneten und der EZB zurückzuführen. Die Parlamentarier fordern mehr Transparenz bei der Aufsicht der Banken durch die EZB. Die Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaftspolitik, Sharon Bowles, sagte der Website centralbanking.com, dass es bei dem Streit darum gehe, dass das EU-Parlament ein detailliertes Protokoll der EZB-Sitzungen verlangt. Die EZB ist jedoch nur bereit, eine „Zusammenfassung“ zu liefern.

EZB-Direktor Jörg Asmussen versuchte bei einem Vortrag in Brüssel, den Konflikt zu entschärfen. Er sagte, dass es eine „Zusammenfassung“ geben soll, bei der auch bekanntgegeben werde, wer aus dem EZB-Direktorium für oder gegen eine Maßnahme gestimmt habe. Die Absicht der EZB, aus den Direktoriums-Sitzungen zu berichten, ist freilich nur eine „Absicht“ – ohne jede rechtsverbindliche Wirkung.

Um die Parlamentarier jedoch vom Ernst der Lage zu überzeugen und zu verhindern, dass es auch am Donnerstag zu keinem Beschluss des Parlaments kommt, erhöhen die Protagonisten der Banken-Union den Druck auf die Abgeordneten. In Rom sagte der Präsident der italienischen Zentralbank, Ignazio Visco, dass eine „vollständige Banken-Union in Europa dringend notwendig ist, um den perversen Zusammenhang zwischen den Staaten und den nationalen Bankensystemen zu durchbrechen“.

In Paris sagte IWF-Chefin Christine Lagarde auf einer vom französischen Finanzministerium organisierten Konferenz dass es zu keinen weiteren Verzögerungen bei der Banken-Union kommen dürfe. Für die Banken-Union ist die gemeinsame Aufsicht durch die EZB mit dem schönen Namen SSM zwingend notwendig.

Die Südländer fordern die Banken-Union vehement, um ihre maroden Banken durch einen Zugriff auf die Banken aller Staaten der Euro-Zone abzusichern. Sie brauchen vor allem die gemeinsame europäische Einlagensicherung, um im Crash-Fall einer Bank die Sparer aller Euro-Staaten zur Kasse bitten zu können.

Asmussen hatte Anfang September bei einem Vortrag in Frankfurt erneut unterstrichen, dass es zu einer Zwangsabgabe zur Rettung von Banken kommen werde.

Asmussen zum Kernelement der Banken-Union:

„Die Grundidee dieser neuen Regeln ist einfach und einleuchtend: wer ein Risiko eingeht, muss auch für die Konsequenzen gerade stehen. Künftig wird also nicht mehr allein der Steuerzahler für Fehlentscheidungen aufkommen. Als erstes werden Aktionäre herangezogen. Danach sind die Gläubiger an der Reihe. Innerhalb der Gläubigerhierarchie sind zunächst nachgeordnete Gläubiger dran, dann bevorzugte Gläubiger. Erst dann kommen ungesicherte Einleger an die Reihe.“

Damit ist klar: Der Steuerzahler wird künftig nicht mehr „allein..für Fehlentscheidungen aufkommen“ müssen. Asmussen räumt damit indirekt ein, dass der Steuerzahler auch weiterhin damit rechnen muss, für marode Banken zahlen zu müssen.

Der schwache Trost für den Steuerzahler ist indes kein echter Trost: Denn die „Gläubiger“ einer Bank sind nicht die Reichen, wie das viele Sparer so gerne glauben möchten. Jeder, der ein Konto bei einer Bank hat, ist Gläubiger.

Der Steuerzahler wird auch, so Asmussen, auf anderem Wege für Pleite-Banken zahlen müssen:

„Ich möchte an dieser Stelle aber klarstellen, dass diese Absicherung nicht mit der direkten Bankenrekapitalisierung über den ESM zu verwechseln ist. Die Möglichkeit, dass der ESM Banken direkt rekapitalisiert ist – mit Ausnahme von einigen sehr seltenen und sehr unwahrscheinlichen Fällen – erst gegeben, wenn die gemeinsame Aufsicht ihre Arbeit aufgenommen hat.“

Dies bedeutet, dass der ESM entgegen allen Beteuerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vor der Zustimmung des Deutschen Bundestags sehr wohl zur Banken-Rettung herangezogen werden wird. Damit haftet der Steuerzahler also doppelt: Einmal im Zuge einer allfälligen nationalen Rettungs-Aktion, ein anderes Mal über den ESM.

Wie viele „Ausnahmen“ es geben wird, um die nicht durch das ESM-Statut gedeckte Banken-Rettung aus dem Fundus der Steuerzahler doch durchdrücken zu können, werden die Zentralbanker mehr oder weniger im Alleingang beschließen. Denn das Direktorium des ESM ist niemandem Rechenschaft schuldig und unterliegt erst recht keiner Jurisdiktion. Die „sehr seltenen und sehr unwahrscheinlichen Fälle“ sind heute nicht abzusehen.

In keinem dieser Fälle wird ein Parlament mitwirken können – weder die nationalen Parlamente, noch das EU-Parlament.

Der Streit um die Transparenz ist also nichts anderes als ein weiteres, sehr geschicktes Ablenkungsmanöver der EZB und des IWF: Vermutlich wird man am Mittwoch mit dem EU-Parlament um einige Details feilschen und dann vor der Abstimmung einen „Kompromiss“ präsentieren.

Das EU-Parlament wird dann unter der kompetenten Leitung des Banken-Fachmanns Martin Schulz, seines Zeichens Präsident des Parlaments und aussichtsreicher Kandidat auf den Posten des Präsidenten der EU-Kommission, dem „Kompromiss“ zustimmen.

In diesem Fall haben alle einen Erfolg zu vermelden: Die EU-Abgeordneten werden sagen können, dass sie die Demokratie in Europa gestärkt haben. Die EZB kann für sich reklamieren, dass ihr nichts wichtiger ist als Transparenz. Asmussen hat das schon einmal vorab formuliert:

„Eine gemeinsame Bankenaufsicht muss demokratisch legitimiert und kontrolliert sein. Die gemeinsame Bankenaufsicht ist deshalb den Bürgen (sic!) Europas gegenüber rechenschaftspflichtig.“

So läuft, von der Öffentlichkeit im Wesentlichen völlig unbemerkt, eine Veränderung ab, die noch viel weitreichendere Folgen haben wird als die Einführung des Euro selbst: Die Aufhebung der tatsächlichen, demokratischen Kontrollmöglichkeiten der Bürger darüber, was mit ihrem hart erarbeiteten Steuergeld geschieht.

Es ist gewissermaßen eine Reminiszenz an die sich langsam von der europäischen Bühne verabschiedenden Demokratie, dass sich EZB und EU-Parlament als Abgesang einen Schaukampf liefern.

Beide Parteien führen diesen Kampf vorgeblich im Dienste der Demokratie.

Und haben doch nichts weniger im Sinn als deren schrittweise Zurückdrängung, wenn es um die ordnungsgemäße und kontrollierbare Verwendung der wichtigsten Währung der Demokratie geht, nämlich der Steuergelder.

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